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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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antwortete Gálvez. »Sie feiern wohl die
Yahuar Fiesta,
das Fest des Blutes. Das ist so etwas wie für Sie ein Stierkampf. Das wird Ihnen nicht gefallen. Wir sollten die Stadt besser meiden.«
    »Wie bitte?«, platzte der Ingenieur wütend heraus. »Wir verfolgen diesen Schuft nun seit zwei Wochen, und jetzt, da wir ihn fast eingeholt haben, wollen Sie nichts unternehmen? Weshalb, glauben Sie, habe ich Sie und Ihre Männer wohl mitgenommen?«
    »Ist schon gut«, beschwichtigte Gálvez, als er Sebastiáns und auch Qaytus Wut gewahr wurde. »Aber heute hat es keinen Zweck mehr, es wird gleich Nacht. Lassen Sie uns hier unser Lager aufschlagen und morgen nach Abancay einreiten.«
     
    Als sie sich am nächsten Morgen dem Ort näherten, erlebten sie ein völlig anderes Fest als jene Fronleichnamsprozession in Huamanga. Hier wurde alles von den Indios beherrscht, die in so großer Zahl aus den Bergen herabgeströmt waren, dass die Stadt von Feiernden förmlich überquoll.
    Mit äußerster Vorsicht ritten sie zwischen ihnen durch, wobei sie den schlimmsten Betrunkenen auswichen, mangelte es doch nicht an
chicha,
dem typischen Schnaps aus fermentiertem Mais. Auf einmal hörten sie einen heftigen Knall.
    »Was war das?«, fragte Sebastián beunruhigt.
    »Halten Sie Ihr Pferd gut fest, jetzt wird es ernst«, empfahl Gálvez.
    Sie mussten ihre Reittiere stramm am Zügel packen und sie beruhigen, da man eine Zündschnur angezündet hatte, die verschiedene Feuerwerkskörper miteinander verband, die nun einer nach dem anderen funkensprühend explodierten. Als der letzte |306| Kracher hochgegangen war, erscholl das unheilvolle Tuten eines aus dem Horn eines Stiers gefertigten Blasinstruments.
    Der Ingenieur bemerkte, dass sich ein paar Indios Qaytu näherten und ihm etwas ins Ohr flüsterten. Und sie zeigten auf Sebastián, als würden sie ihn kennen.
    »Wir sollten besser absteigen«, schlug der Ingenieur vor. »Wir fallen zu sehr auf.«
    Aber es war bereits zu spät. Der Maultiertreiber kam auf Sebastián zu und versuchte, ihm mit Gesten etwas zu vermitteln. Da auch Gálvez ihn nicht verstand, wandte dieser sich direkt an die Indios.
    »Was ist los?«, wollte Sebastián wissen.
    »Das sind Indios von der anderen Seite des Flusses, die Qaytu und seine Familie kennen. Einer von ihnen hat mit ihm in der Manufaktur gearbeitet. Sie haben uns zu der
Yahuar Fiesta
eingeladen.«
    »Diesem ›Fest des Blutes‹, wie Sie mir erklärt haben?«
    »Ja. Ich habe ihnen gesagt, dass es Ihnen höchstwahrscheinlich nicht gefällt und wir außerdem so schnell wie möglich die Brücke über den Apurímac passieren müssten. Doch sie bestehen darauf, dass Sie bleiben.«
    »Und warum zeigen sie auf mich?«
    »Sie halten Sie für eine hohe Persönlichkeit und wollen, dass Sie den Ehrenvorsitz über das Fest übernehmen.«
    »Ich??«
    »Ich habe ihnen bereits gesagt, Sie seien keineswegs eine hohe Persönlichkeit«, sagte Gálvez. »Aber offensichtlich gibt es sonst keine Spanier dafür.«
    »Und Carvajal?«
    Der ehemalige Unteroffizier gab die Frage an die Indios weiter, die empört reagierten.
    »Sie sagen, er habe sich auf sein Landgut geflüchtet«, übersetzte er. »Und die übrigen
encomenderos
würden sich weigern. Unter uns gesagt, ich glaube, sie haben allesamt Angst, weil die Indios hier sehr aufrührerisch sind. Außerdem habe Carvajal erklärt, er |307| habe mit dem gespendeten Stier seinen Beitrag zum Fest bereits geleistet, und hinter ihm komme ein Maultierzug mit einem anderen Großgrundbesitzer, der den Vorsitz übernehmen könne. Womit Sie gemeint waren.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Ich fürchte, ja. Irgendjemand muss ihm verraten haben, dass wir ihnen folgen.«
    »Und während die Leute uns hier festhalten, überquert er in aller Ruhe die Brücke über den Apurímac und zerstört sie hinterher, damit wir nicht mehr drüberkommen. Und was hat er mit Umina vor?«
    Es erfolgte ein neuerlicher Austausch von Fragen und Antworten, wonach der Kreole erklärte: »Ich glaube, die ganze Truppe ist unterwegs zur Manufaktur, die hier ganz in der Nähe liegt.«
    »Gut«, erwiderte der Ingenieur. »Dann sagen Sie ihnen, dass wir jetzt ebenfalls dorthin reiten.«
    Gálvez schüttelte den Kopf. »Werden Sie jetzt bitte nicht wieder zornig auf mich, aber ohne einen Spanier ergibt dieses Fest keinen Sinn.«
    »Und wozu? Um derbe Scherze mit ihm zu treiben? Rufen Sie Ihre Leute zusammen. Wir reiten weiter.«
    »Zu Befehl«, seufzte Gálvez

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