Quipu
war bewaffnet. Mich wunderte, warum der eine den anderen bewachte. Vor allem, als dieser sich auszog, um sich zu waschen, und den anderen bat, sich zu entfernen. Er hatte eine sehr zarte Stimme für einen Soldaten, schien mir. Das Haar war sehr lang. Mehr konnte ich nicht erkennen, weil der Wächter auf die Stelle zukam, wo ich mich versteckt hielt, sodass ich noch tiefer ins Rohrdickicht stapfen musste.«
|300| »Sie haben Umina als Mann verkleidet! Da hätten wir auch früher draufkommen können!«, rief Sebastián aus. »Wo war das?«
»Eine halbe Tagesreise von hier.«
Qaytu bot dem Indio etwas zu essen an, während sich Sebastián und Gálvez leise über das Gehörte berieten.
»Was dieser Mann erzählt, gefällt mir gar nicht«, sagte der ehemalige Unteroffizier. »Wissen Sie, warum Salpeter dem königlichen Monopol unterstellt ist?«
»Weil er ein Bestandteil des Schwarzpulvers ist.«
»Richtig. Man muss nur noch Schwefel und Kohlenstoff hinzufügen, die wesentlich leichter zu bekommen sind. Wenn also jemand Salpeter stiehlt, dann führt er etwas Großes im Schilde.«
Am nächsten Morgen brachen sie beim ersten Morgengrauen auf. Doch obwohl sie ihren Marsch beschleunigten, konnten sie Carvajals Truppe den ganzen Tag über nicht entdecken. Und die Nacht traf sie so unvorbereitet, dass sie sich gezwungen sahen, ihr Nachtlager in einem kleinen Dorf zu suchen.
Wäre nicht der Pfarrer gewesen, hätten sie unter freiem Himmel nächtigen müssen. Dieser war ein junger, rühriger und gastfreundlicher Mann, den die Indios achteten. Er lud Sebastián und Gálvez ein, sein kärgliches Mahl mit ihm zu teilen, und sie fragten ihn nach Carvajals und Montillas Truppe. Doch er schüttelte den Kopf.
»Hier kam keine bewaffnete Truppe vorbei.«
»Also meiden sie die Dörfer«, murmelte Sebastián.
»Das wundert mich nicht«, erwiderte der Pfarrer. »Und Sie sollten das ebenfalls tun.«
»Wir wissen uns zu verteidigen«, erklärte Gálvez.
»Das wage ich zu bezweifeln, zumindest, falls meine Befürchtungen zutreffen. Sobald Sie aufgegessen haben, zeige ich Ihnen was.«
Nach dem Abendessen führte der Pfarrer sie in seine Kirche, die bereits für das bevorstehende Fronleichnamsfest geschmückt war.
»Sehen Sie sich die Heiligenstatue dort an«, sagte er.
|301| Er zeigte auf eine Holzfigur vor dem mit durchscheinenden Huamanga-Steinen verzierten Seitenaltar, einen bärtigen Reiter auf einem weißen, mit Federn geschmückten Pferd. Der Heilige trug die Sturmhaube der Eroberer, in der einen Hand das Schwert, in der anderen den Rundschild und die Standarte mit dem Kreuz, und zwang gerade einen Inkaadligen zu Boden. Um jeden Zweifel auszuräumen, stand der gespornte Fuß des Reiters auf dem Nacken des Indios, dessen Kopf dadurch so heftig nach unten gedrückt wurde, dass er sprichwörtlich ins Gras biss.
»Das ist Santiago
matamoros,
der ›Maurentöter‹, nicht wahr?«, mutmaßte Sebastián.
»Besser gesagt, Santiago
mataíndios,
der Indiotöter«, verbesserte ihn Gálvez.
»Aber warum hat ihm jemand die Hände gefesselt?«, fragte der Ingenieur und wies auf den Strick, der die Hände der geschnitzten Heiligenfigur umfing.
»Genau das wollte ich Ihnen zeigen. Es heißt, während der Eroberung Cuzcos sei der heilige Jakobus erschienen, um den Spaniern zu helfen. Seitdem fürchten die Indios ihn. Wenn sie das Gefühl haben, die Feindseligkeiten nehmen zu, dann verhüllen oder fesseln sie sein Abbild, damit der Heilige sich nicht wieder versündigt.«
»Das bestätigt, was uns der Salpeterarbeiter gesagt hat«, brummte Gálvez. »Sie hecken etwas Großes aus.«
»Und Umina befindet sich in einer äußerst misslichen Lage«, sagte Sebastián.
»Wie alle Mestizen«, erwiderte Gálvez.
Er wollte noch etwas hinzufügen, verstummte jedoch, als er Sebastiáns vernichtenden Blick sah.
|302| Yahuar Fiesta
C arvajals Truppe hatte auch Huanta gemieden, doch gab Qaytu ihnen zu verstehen, dass noch nicht alles verloren sei. Die Stadt Huamanga könne er nicht umgehen, weil dahinter die
Quebrada Honda,
die tiefe Schlucht, durchquert werden müsse.
Sie brachen sofort auf. Zu ihrem Unglück wurden sie am Ortseingang aber von der Fronleichnamsprozession aufgehalten. Sie war endlos lang, wie es sich für ein Bistum mit über zwanzig Kirchen und einer Kathedrale gehörte. Zuerst kamen die Honoratioren der Stadt, dann die Bruderschaften, die zum Klang der Trommeln, Glöckchen und zahlreicher
charangos,
jener Mandolinen, für
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