Quipu
Schluchten und Tälern auch war. Nach den Vorspeisen und Suppen wurden Platten mit verschiedenartigsten Kartoffeln aus den unterschiedlichen Höhenlagen gereicht, dazu Möhren, Bohnen und
ají
-Pfeffer. Und dann begann Uyán ihr Verhör.
»Sie sind also Militär«, sagte sie zu Sebastián. »Wie mein verstorbener Mann.«
»Mutter«, widersprach Umina. »Das einzige Feuer, das Vater jemals gesehen hat, ist das hier in diesem Kamin. Señor de Fonseca ist Militäringenieur.«
|340| »Dein Vater hat die Milizen geleitet!«
»Er hat sie nicht geleitet, sondern finanziert«, stellte Umina richtig, »damit man ihm die Konzession für unser Transportunternehmen erweitert. Und damit er sonntags nach der Messe, ausstaffiert mit Uniform, Perücke, Reitstock und Kokarde, mit seinen Freunden ein paar Schüsse auf wehrlose Felsbrocken abfeuern konnte.«
»Nun, dir hat er das Schießen recht ordentlich beigebracht.«
Zum Glück wurden nun die nächsten Gänge aufgetragen. Es gab Meerschweinchen, Hühnchen mit einer Mandel-Rosinen-Füllung und Rebhühner mit Oliven aus Angostura. Den Abschluss bildete ein äußerst zartes, goldbraun geröstetes Spanferkel aus Huaracondo, das man zuvor in aromatischen Kräutern eingelegt hatte. Der Wein stammte aus den Yunga-Tälern.
»Wähl in der Küche den Nachtisch aus«, bat Uyán schließlich ihre Tochter.
Kaum war Umina gegangen, wandte sie sich an Sebastián, um ihn zu fragen, wie er Umina kennengelernt habe. Er erklärte es ihr, so gut es ihm möglich war, und meinte zum Schluss: »Sie ist eine starke Frau.«
»Ja, sie hat Persönlichkeit, darin ist sie nach mir geraten«, bestätigte Uyán. »Und sie geht sehr aufrecht.«
»Sie geht nicht nur aufrecht, sie ist auch in allem aufrecht.«
»Nun, sie ist ein wenig stolz. Das ist das spanische Blut ihres Vaters, der zu allem Überfluss auch noch in Lima erzogen wurde. Umina war immer sehr selbstständig und rebellisch. Auf mich hört sie nicht mehr, das haben Sie ja gesehen. Ich weiß nicht, was für Pläne Sie haben, aber bitte versprechen Sie mir, auf sie aufzupassen.«
»Pläne? Was meinen Sie damit?«, wollte der Ingenieur wissen.
»Verzeihen Sie, ich habe mich nicht klar ausgedrückt. Ich meine das, was Sie suchen. In das andere mische ich mich nicht ein. Das ist nicht vorherzusehen. Ich habe meinen Mann kennengelernt, da war ich noch keine zehn Jahre alt. Die Ehe wurde von meinen Eltern beschlossen. Anfangs kam er mir recht unscheinbar vor, |341| er war klein, wie Umina. Aber irgendwann habe ich ihn leidenschaftlich geliebt. Wer hätte das damals gedacht …«
Sebastián überlegte, ob er sie über die Beziehung ihrer Tochter zu Carvajal ausfragen sollte, doch traute er sich nicht so recht. Irgendwie musste sie indes ahnen, was in ihm vorging.
»Sie werden sich bestimmt fragen, wie Umina sich mit diesem Schurken verloben konnte …«
»Nein, bei Gott, ich möchte nicht indiskret sein«, log er.
Ungeduldig winkte sie ab. »Dieser Mann hatte es auf unsere Ländereien in Yucay abgesehen … Es gibt in ganz Peru keinen fruchtbareren Boden. Sie bedeuten mir sehr viel, da sie stets im Besitz meiner Familie waren. Wissen Sie, wer Huayna Cápac war?«
»Der letzte Inka, bevor die Spanier kamen.«
Uyán blickte ihn angenehm überrascht an. »Nun, diese Ländereien stammen von ihm. Mein Mann hat sein ganzes Vermögen in sie gesteckt, obwohl er sie, wie Zúñiga ihm anriet, mit viel Gewinn hätte verkaufen können. Doch wir wollten sie für unsere Kinder erhalten.« Sie machte eine Pause, ohne Zweifel, um über den Schmerz hinwegzukommen, der sie bei dem Gedanken an Manuel, ihren getöteten Erstgeborenen, überfiel. »Diese Ländereien gehören nun Umina. Ich bin schon recht alt und möchte dort neben meinem Mann begraben werden. Es ist der Ort, wo ich geboren wurde und wir am glücklichsten waren. Aber ich will auch das Beste für meine Tochter, ob nun hier oder sonst irgendwo. Sie hat es verdient. Und sie hat es sich erkämpft. So zu werden, wie sie ist, war nicht einfach für sie. Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, weil sie hübsch und forsch ist.«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie hat alles mit bloßer Willenskraft erreicht. Als sie geboren wurde, gab man ihr keine Chance, es hieß, sie würde keine zwei Tage leben … Sie hat einen eisernen Willen und ist unglaublich stur, dennoch …«
Uyán führte den Satz nicht zu Ende, da sie sah, dass ihre Tochter wiederkam, gefolgt von drei Dienerinnen mit dem
Weitere Kostenlose Bücher