Quipu
…«
»… Farfán de los Godos’ öffentliche Hinrichtung bevor«, vollendete Umina den Satz. »Wir haben die Militärpatrouillen gesehen.«
»Ja, er kann jeden Tag gehängt werden«, sagte Uyán. »Und jeder, der sich irgendwie verdächtig macht, wird es büßen müssen. Die Truppen warten nur darauf, ein Exempel statuieren zu können.«
»Was wird Carvajal unternehmen?«, fragte Sebastián.
»Er wird so schnell wie möglich hierherkommen, dessen kannst du dir sicher sein«, antwortete Umina, nachdem ihre Mutter ihr einen Blick zugeworfen hatte, den Sebastián nicht zu deuten verstand. »So, wie die Dinge liegen, glaube ich aber nicht, dass er dich und Qaytu anklagen wird. Das würde zu lange dauern, und er müsste sich zudem für meine Entführung verantworten. Da er auf Montillas bewaffnete Truppe zählen kann, wird er das auf seine Art lösen. Seiner Fragerei nach zu urteilen, kann ich dir versichern, dass er schnellstmöglich Sírax’ Grab im Kloster Santo Domingo finden will. Und zwar vor uns.«
Uyán hatte Umina zugehört und schüttelte nun vorwurfsvoll den Kopf.
»Was du getan hast, war sehr unklug, mein Kind. Erst recht nach allem, was zwischen Carvajal und dir war.«
Sebastián blickte überrascht auf.
»Was meint deine Mutter damit?«, fragte er die Mestizin, während ihm Gálvez’ boshafte Anspielungen wieder in den Sinn kamen.
»Hast du es ihm noch nicht erzählt?«, wandte Uyán sich in strengem Ton an Umina.
Diese antwortete ihr aufgebracht auf Quechua. Worauf ihre |336| Mutter etwas in noch schärferem Tonfall entgegnete und schließlich schimpfend hinausging.
Ein beklemmendes Schweigen breitete sich aus, das Sebastián schließlich brach.
»Was hättest du mir erzählen sollen?«
»Dass … dass Carvajal und ich verlobt waren.«
Sebastián starrte Umina ungläubig an und wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück.
»Das kann ich nicht glauben!«
»Es ist nicht so, wie du denkst. Und ich wollte es dir erzählen, das habe ich doch gesagt …«
»Das heißt also, wir haben in Lima eine bewaffnete Eskorte angeheuert und unser Leben bei eurer Verfolgung aufs Spiel gesetzt, weil wir dachten, du seiest in Gefahr … Und alles nur wegen eines Streits zwischen einem alten Liebespaar! Wie dumm ich doch war!«
Das war zu viel für Umina. Wütend blitzte sie ihn an. Doch dann senkte sie den Kopf.
»Pass auf«, sagte sie. »Ich war noch sehr jung, als Carvajal mich zu umwerben begann. Niemand in meiner Familie wusste, was für ein Schuft er ist … Dann ist mein Vater gestorben. Erst Qaytu hat meinen Bruder Manuel darüber aufgeklärt, wie dieser Mann die Indios in der Tuchmanufaktur behandelte und warum ihm so viel daran lag, sich mit uns zusammenzutun.«
Sebastián, von widerstreitenden Empfindungen erfüllt, erwiderte nichts darauf.
»Schau mich an!«, flehte Umina mit tränennassen Augen. »Ich wusste genau, auf was ich mich einließ, als ich mich in Lima in deine Angelegenheiten mischte. Aber was hätte ich tun sollen, Sebastián? Dich alleine lassen, als du in Gefahr warst?«
Er wandte sich ab und ging zwischen den Öfen zur anderen Seite des Salons, wo er schließlich so heftig mit der Faust gegen die Wand schlug, dass es im ganzen Raum widerhallte. Dann ging er langsam auf die junge Mestizin zu und fasste sie an den Schultern:
|337| »Es tut mir leid, ich hätte mir so etwas denken müssen … Verzeih mir.«
»Glaub mir, zwischen diesem Mann und mir ist nie was gewesen … Und du, du musst dich deiner Gefühle nicht schämen. Mir geht es mit dir doch genauso.« Umina nahm seine Hand und zeigte dann erschrocken auf seinen rechten Arm. »Du blutest ja. Die Wunde ist aufgeplatzt, ich muss dir den Verband wechseln.«
»Was spielt das jetzt für eine Rolle …«, sagte er.
Und dann nahm er sie in seine Arme. Und so verharrten sie, aneinandergeschmiegt, Brust an Brust, bis Uyáns Stimme sie wieder in die Wirklichkeit zurückholte.
»Eure Zimmer sind gerichtet«, sagte sie und fügte, an ihre Tochter gewandt, hinzu: »Ich habe das Kleid rausgelegt, das ich dir für die Fronleichnamsprozession gekauft habe.«
Während sie sie hinauf in ihre Zimmer begleitete,hörte sie nicht auf zu schwatzen, um ihnen aus der Verlegenheit zu helfen. So erklärte sie Sebastián, dass es ein uralter Brauch sei, an jenem wichtigsten Fest der Stadt ein neues Kleid zu tragen, und schwärmte von der würdevollen Prozession und dem anschließenden Hochamt in der
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