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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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Nachtisch. Sie |342| stellten Chirimoyas, Feigen mit Nussfüllung, Marzipan, Oropesa-Biskuits und Erdbeerlikör aus dem Yucay-Tal auf den Tisch.
    Danach berichteten Umina und Sebastián von ihren Nachforschungen und ihrem Plan, Sírax’ Grab im Kloster Santo Domingo aufzusuchen, wo sie die letzte, die Chronik und das rote Quipu verbindende Fährte zu finden hofften, die sie zu der Verlorenen Stadt der Inkas führen sollte.
    »O Gott, das habe ich befürchtet.« Uminas Mutter sah sie besorgt an. »Vilcabamba ist zurzeit ein Tabuwort. Ihr hättet keinen schlechteren Zeitpunkt wählen können.«
    »Meinst du wegen Farfán de los Godos’ Hinrichtung?«, fragte ihre Tochter.
    »Das ist das eine«, antwortete Uyán. »Doch will man vor allem die Aufständischen mit dieser Hinrichtung warnen. Und sich gegen die Ansprüche von diesem Kaziken Condorcanqui verwahren. Sie wissen, Sebastián, wer das ist, nicht wahr?«
    »Ja«, entgegnete er. »Ich habe Condorcanqui in Abancay getroffen, er trat sehr selbstbewusst auf und hat mir bei der
Yahuar Fiesta
aus der Klemme geholfen, in die Carvajal mich gebracht hatte.«
    »Ich habe vom Tod des Kondors gehört.« Uyán nickte. »Aber ich wusste nicht, dass Sie dort waren. Ich kenne Condorcanqui nicht persönlich, doch sein Fall ist beunruhigend. Er lässt sich Túpac Amaru II. nennen.«
    »Ja, das ist mir bekannt«, erwiderte Sebastián. »Ein Oberrichter hat uns in Lima von Condorcanquis Klagen und Gerichtsprozessen erzählt, um als rechtmäßiger Nachfahre der Inkas von Vilcabamba anerkannt zu werden.«
    »Das meinte ich, als ich von den Schwierigkeiten sprach, auf die ihr stoßen werdet, wenn ihr diese ehemalige Inkafestung sucht. Außerdem gibt es Leute, die ihn in Farfán de los Godos’ Aufstand gegen die Spanier verwickelt sehen, auch wenn man ihm bisher nichts nachweisen konnte.«
    »Und das Kloster Santo Domingo?«, fragte Umina.
    »Sie werden euch nicht in die Krypta lassen«, antwortete die Mutter. »Die Mönche haben es satt, dass man dort unten dem |343| Schatz der Inkas auf die Spur kommen will. Sie werden euch nicht nur den Zutritt verwehren, sondern es auch den Behörden melden.«
    »Aber es wissen doch viele, dass dort die Inkafamilie begraben ist: Túpac Amaru, Sayri Túpac, Beatriz Clara Coya   …«
    »Ja. Und auch, dass das Kloster über dem Coricancha errichtet wurde, dem einstigen Sonnentempel und heiligsten Ort des ganzen Reiches«, entgegnete Uyán. »Gerade deshalb haben die spanischen Behörden die Dominikaner angewiesen, niemanden mehr zu den Gräbern zu lassen. Angesichts der Indioaufstände wollen sie verhindern, dass irgendjemand Anspruch auf den Inkathron erhebt.«
    »Uns bleibt keine andere Wahl«, erwiderte Umina. »Sebastián, zeig meiner Mutter die Chronik, das rote Quipu und die Liste der
huacas

    Der Ingenieur stand auf und kehrte kurz darauf mit den Gegenständen zurück, die er Uyán überreichte.
    »Sebastián hat einen hohen Preis für all dies bezahlt«, erklärte Umina. »Aber ohne die Spur, die sie verbindet, sind sie nichts wert. Wir müssen zu Sírax’ Grab! Kennst du jemanden, der etwas von Quipus versteht? Wir müssen diese Knoten entschlüsseln.«
    Besorgt betrachtete Uyán das rote Quipu. »Ich kenne nur einen
quipucamayo
. Wenn er es nicht kann, wird euch niemand helfen können.«

|344| Santo Domingo
    A m nächsten Morgen machten Sebastián und Umina sich auf den Weg zum Kloster Santo Domingo. Sie ging als gewöhnliche Indiofrau gekleidet, und ihn hätte man für einen hellhäutigen Mestizen halten können; beide waren unter Cuzcos vierzigtausend Bewohnern weit verbreitet. Anders als Lima, die Stadt der Weißen, war Cuzco die der Indios, und überall hörte man die Menschen Quechua sprechen.
    Während sie durch die alte Hauptstadt der Inkas gingen, sah Sebastián, wie hoch entwickelt diese Zivilisation einst gewesen war. Cuzco war eine wahrlich herrschaftliche Stadt, und am beeindruckendsten war ihre Architektur. Ganze Straßenfluchten wurden von dicken Steinmauern begrenzt, deren Quader so vollkommen ineinandergefügt waren, dass sie wie dunkle Felsen wirkten. Im Gegensatz dazu waren die Mauern der spanischen Kolonialbauten grob und schlampig gearbeitet. Und doch hatte Cuzco etwas von solch alten und verwinkelten spanischen Städten wie Toledo.
    Da die Stadt am Hang errichtet war, konnte das Abwasser durch Kanäle, die wie natürliche Bächlein durch die Straßen rannen, abfließen und Müll und Unrat mit sich reißen. Und

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