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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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unheimlich viele spanische Soldaten in der Stadt waren, wo man gerade die Hinrichtung von Farfán de los Godos und anderer Aufständischer vorbereitete, die sich den neuen Tributen widersetzt hatten. In dieser angespannten Lage würden sie mit äußerster Vorsicht vorgehen müssen, denn die Ereignisse in der Tuchmanufaktur hatten sich bestimmt schon wie ein Lauffeuer verbreitet. Hatte Carvajal sie erst einmal der Beteiligung an dem Überfall bezichtigt, würden sie sich nicht mehr frei bewegen können.
    Es galt also, keine Zeit zu verlieren. Während Qaytu mit seinen Maultiertreibern zu den Lagern zog, machten Umina und Sebastián sich auf den Weg zum Schlangenhaus.
    Dem Ingenieur war recht seltsam zumute in dieser Stadt, wo Kultur und Gebräuche der Inkas noch so deutlich sichtbar waren. Alles, was er sich beim Lesen der Chronik ausgemalt hatte, breitete sich nun vor seinen Augen aus. Und das, was er sah, enttäuschte ihn nicht, sondern zog ihn unwiderstehlich an. Uminas Vaterhaus befand sich mitten im Zentrum, ganz in der Nähe der Plaza de Armas. Als Sebastián vor dem Gebäude stand, in dem sich einst Quispi Quipus und Sírax’ Geschichte zugetragen hatte, konnte er seine Rührung nicht verbergen, sah er doch nun genau jenes Portal vor sich, das zweihundert Jahre zuvor Diego de Acuña auf seiner sehnsüchtigen Suche nach der jungen Frau erblickt hatte.
    Die um den Türsturz gewundenen Schlangen schienen den Eingang beschützen zu wollen. Wie Umina ihm erklärte, waren sie so gemeißelt, dass man mit ihnen jeglichen Wetterumschwung vorhersagen konnte: Die Winde, die über sie hinwegstrichen, legten den Schlangen unterschiedliche Geräusche in den Mund.
    Vom Portal gelangten sie in die Vorhalle, deren Größe und düstere Gestaltung auf die Steinmetzkunst der Inkas zurückging. Es war eine strenge, klare Architektur, die lediglich durch die Geschützluken abgemildert wurde, welche die Hausbewohner im Verteidigungsfall für ihre Arkebusen benutzen konnten. Eine gepflasterte Einfahrt aus jener Zeit ermöglichte es den Kutschen, |334| direkt in den weitläufigen Innenhof mit den toskanischen Bögen zu fahren,unter denen Geranienkübel und kleine Limonenbäumchen standen. Von dort aus gelangte man über eine Freitreppe zum Obergeschoss, deren Pracht durch die Beleuchtung noch verstärkt wurde, die wie ein Vorhang auf die massiven Stufen aus dunklem Stein herabfiel.
    In diesem Licht kam Uyán, Uminas Mutter, die Treppe herab. Es war, als entspränge sie einer anderen Zeit. Ihr noch immer schönes, indianisch anmutendes Gesicht leuchtete auf, als sie sah, dass ihre Tochter wohlbehalten zurückgekehrt war.
    »Mein Kind!«, rief sie aus und umarmte Umina. »Wie lange musste ich auf dich warten! Lass mich nie wieder allein.«
    Tränen liefen ihr über die Wangen, was sie aber nicht daran hinderte, Sebastián von oben bis unten zu mustern, während die junge Mestizin ihn vorstellte. Nachdem sie die Dienstboten angewiesen hatte, sich um das Gepäck zu kümmern, führte sie die beiden in den Salon.
    Der Raum wurde mit silbernen Öfen beheizt. An den Wänden hingen feine Behänge aus Vikunja-Wolle neben andalusischen Wandteppichen und wertvollen Gemälden. Bei den Möbeln waren alle Hölzer vertreten: von Palisander, der Stechpalme und dem Pisonay-Baum bis hin zu Erlen aus Paucartambo und Zedern aus Amaybamba. Es gab aus Elfenbein und Perlmutt gefertigte Kommoden, Vasen aus chinesischem Porzellan und venezianische Kristallleuchter. Etwas, das Sebastián bisher noch nirgendwo gesehen hatte, fiel ihm ganz besonders ins Auge: Die Indiokunst hing gleichberechtigt neben der europäischen, seien es Skulpturen oder Keramiken, Gemälde der Schule von Cuzco oder farbige Stoffe erstaunlichster Webart. Und diese Pracht steigerte sich noch, als er Uyáns Hausaltar mit dem kunstvollen Altarbild der von ihr verehrten Jungfrau Maria sah.
    »Hier habe ich jeden Tag für dich gebetet«, sagte Uminas Mutter. »Vor allem, nachdem ich Don Luis’ Brief erhalten hatte.«
    »Er hat dir geschrieben?«, wunderte sich Umina.
    »Ja. Er hat mir einen Eilbrief geschickt, kaum dass man dich entführt |335| hatte, um mich zu beruhigen. Und er hat auch von Ihnen gesprochen«, fügte sie, an den Ingenieur gewandt, hinzu. »Die übrigen Neuigkeiten wurden über Gálvez und andere Reisende verbreitet.«
    »Auch der Brand in der Manufaktur?«
    »Ja. Das hat große Unruhe ausgelöst. Man würde immer noch von nichts anderem sprechen, stünde nicht  

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