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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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der Ingenieur erneut. »Kann man diese
ceques,
diese Linien, die von Cuzco in alle Richtungen ausgehen, etwa sehen?«
    »Nein«, antwortete Chimpu ernst. »Sie sind genauso imaginär wie die Grenzen einer Landkarte. Sie entstehen in unserer Vorstellung, wenn man die verschiedenen
huacas,
die manchmal eine beträchtliche Entfernung voneinander haben können, miteinander verbindet.«
    »Das heißt, diejenigen, die sie aufzeichneten, wussten oftmals selbst nicht, wie die Verbindung zwischen diesen
huacas
aussah.«
    »So ist es. Es gibt durchaus
huacas,
die durch Berge und andere Hindernisse voneinander getrennt sind.«
    »Und wie konnten sie sie dann an den
ceques
ausrichten, wenn sie nicht wussten, wie?«
    »Über die Sterne. Die wichtigsten Orte verfügten über eine Sternwarte. Die von Cuzco befand sich oben auf der Festung Sacsahuamán.«
    »Also werden wir nur dann,wenn wir über die Messinstrumente der Inkas verfügen, erfahren, wie dieser Weg tatsächlich verläuft.«
    |371| Sebastián verstummte, als er ein dumpfes Geräusch am anderen Ende des Ganges vernahm, durch den sie in die Gruft eingedrungen waren.
    »Was war das?«, fragte Umina beklommen.
    Sie blickten hoch zur Decke. Sie befanden sich unter zig Tonnen von Quadersteinen. Sollten diese über ihnen zusammenbrechen oder die Gänge, durch die sie gekommen waren, zugeschüttet werden, würde niemand sie retten können.
    »Ich glaube, wir sollten schleunigst hier raus«, drängte Sebastián. »Chimpu, haben Sie die Wegbeschreibung in dem roten Quipu fertiggeknüpft?«
    »Ja, hier ist es«, erwiderte der Alte und gab ihm das Quipu zurück. »Jetzt sind in dem Quipu dieselben Knoten und Schnüre miteinander verbunden wie in Siráx’ Haartracht.«
    Da vernahmen sie über sich ein lautes Krachen, und eine Staubwolke legte sich über sie und den ganzen Gang.
    »Zurück!«, schrie der Ingenieur und wollte die Mestizin zum Ausgang ziehen, da gab die Decke des Ganges nach, und riesige Steine fielen herab.
    »Der Ausgang ist verschüttet!«
    Hektisch leuchtete Sebastián mit der Laterne den Gang ab, doch gab es kein Entkommen.
    »O Gott!«, entfuhr es ihm. »Wir sind zwischen den Grundmauern des Sonnentempels und der Klosterkirche begraben.«
    »Es muss noch einen anderen Ausgang geben«, schluchzte Umina voll Panik.
    »Der wird nur schwer zu finden sein   …«, erwiderte Sebastián. Er drehte sich um die eigene Achse und sagte plötzlich: »Halt!«
    Er lief in den hinteren Teil der Gruft und tastete dort den Boden mit den Händen ab. »Qaytu, bring die Spitzhacke«, rief er, »wir bohren den Kanal an, der zwischen Boden und Mauer verläuft. Wir selbst kommen dort zwar nicht durch, aber vielleicht zeigt uns das Wasser hier einen Weg.«
    Nach den ersten Schlägen mit der Hacke hatten sie den Kanal geöffnet. Zu spät wurde ihnen klar,dass der Druck des einströmenden |372| Wassers beachtlich war. Es sprudelte immer schneller aus dem Loch heraus und verstopfte mit der angeschwemmten Erde den Abfluss in der Gruft, wodurch der Wasserspiegel gefährlich stieg. Bald standen alle bis zum Bauch im Wasser.
    »Da hatte ich ja einen großartigen Einfall«, verfluchte sich der Ingenieur. »Wenn das so weitergeht, ertrinken wir hier alle jämmerlich.«
    Sie halfen Chimpu auf einen der Sarkopharge hinauf, damit er vor den Wassermassen geschützt war, und kletterten dann selbst auf einen zweiten. Auf einmal hörten sie wieder ein Krachen: Das Wasser hatte sich an der hinteren Mauer seinen Weg durch die Risse gebahnt, welche die Einstürze hervorgerufen hatten. Diese Mauer wölbte sich nun gefährlich.
    Plötzlich gab es eine heftige Erschütterung, und die Wand stürzte ein. Die Strömung riss sie mit sich und schleuderte sie in ein unterirdisches Flussbett. Qaytu war nach einiger Kraftanstrengung der Erste, der sich festhalten und den anderen helfen konnte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Umina schwer atmend, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
    »Haben Sie sich etwas gebrochen?«, erkundigte sie sich besorgt, als sie sah, dass Chimpu leicht humpelte.
    »Ich glaube, ich kann noch alleine gehen«, stammelte der
quipucamayo
.
    Die Laternen waren mit den Wassermassen fortgeschwemmt worden. Und dennoch konnten sie ohne größere Mühe sehen.
    »Woher kommt dieses Licht?«, fragte Sebastián verwundert.
    »Von dort oben«, antwortete die Mestizin und zeigte auf eine schmale Ritze, die sich in beträchtlicher Höhe über ihnen auftat. »Wenn ich mich nicht sehr irre,

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