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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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befinden wir uns genau unter dem achteckigen Brunnen des Klosters. Durch die Erschütterung hat die Quelle aufgehört zu sprudeln.«
    »Das heißt, sobald sie nachforschen, was passiert ist, ist uns Carvajal auf den Fersen.«
    »Und es wird ihm überhaupt nicht gefallen, dass wir ihm zuvorgekommen sind.«
    |373| »Ich mache mir Sorgen um meine Mutter«, gestand Umina.
    »Er wird es nicht wagen, ihr etwas anzutun«, versuchte Chimpu sie zu beruhigen. »Uyán hat sehr einflussreiche Freunde in Cuzco.«
    Sie erwogen ihre Möglichkeiten. Vor ihnen eröffnete sich ein unterirdischer Kanal, der zunehmend breiter wurde, wie Sebastián und Qaytu bei einer flüchtigen Erkundung feststellten. Sie brachten auch ein paar Fackeln mit, die in regelmäßigen Abständen an den Seitenwänden angebracht waren.
    »Es gibt nur diesen schmalen Gang«, erklärte Sebastián. »Sind Sie noch bei Kräften, Chimpu?«
    »Um nichts in der Welt will ich das hier versäumen«, antwortete der Alte. »Das muss der Kanal sein, der parallel zu den beiden Flüssen die ganze Stadt durchquert und von der Festung Sacsahuamán herunterkommt.«
    Dies bestätigten die massiven Verstärkungen der Mauern. Als sie sich in den Kanal hineinbegaben, vernahmen sie das Gurgeln unterirdischer Quellen.
    Dort unten wurde der rechtliche Konflikt, den die Spanier mit den ursprünglichen, nunmehr unter dem Abbild des springenden Pumas begrabenen Gesellschaften ausgefochten hatten, deutlicher als an der Oberfläche. In diesem Augenblick kämpften sie sich durch den Bauch des Tieres in Richtung Schlund vorwärts. Der Marsch war äußerst beschwerlich. Über die Maßen anstrengend wurde er aber, als sie den Aufstieg zu den Terrassen des Colcampata begannen, des Palastes des ersten Inkas, errichtet am Fuße jenes Cuzco überragenden Hügels, durch den sich der Kanal nun spiralförmig nach oben wand.
    »Bald kommt die größte Gefahr«, warnte Chimpu sie, »die
Chincana Grande
, die den Eingang beschützt.«
    Er meinte jenes Labyrinth aus zahllosen unterirdischen Gängen, die Sacsahuáns Festungsbauten miteinander verbanden und in denen man leicht die Orientierung verlieren konnte.
    Auf einmal blieb Sebastián, der eine der Fackeln trug, stehen.
    »Still! Hört mal!«
    Sie vernahmen ein fernes, wellenförmig wiederkehrendes Geräusch, |374| eine Art Brüllen, das von hoch oben zu kommen schien und immer lauter und bedrohlicher wurde.
    »Was ist das?«, fragte Sebastián Chimpu.
    Keiner wollte es aussprechen, doch allen war Uyáns Geschichte von Carlos Inca eingefallen, der seine Ehefrau mit verbundenen Augen zum Schatz der Inkas geführt hatte, weil er ihre Vorwürfe nicht länger ertragen konnte. Sie erzitterten, als sie sich an das Brüllen wie von einer ungeheuerlichen Bestie erinnerten, das María Esquivels Zähne zum Klappern gebracht hatte.
    Doch keiner hatte so viel Angst wie der alte
quipucamayo,
der so viel über dieses Labyrinth gehört hatte, das sich über die ganze Länge der Befestigungsanlage und des Zisternen- und Wasserversorgungssystems erstreckte, über seine Gefahren und Schrecknisse, dass er nun auf das Schlimmste gefasst war.
    Auf einmal schrie Umina auf. Qaytu, der mit einer Fackel vorausgegangen war, war verschwunden.
    Sebastián ging ihn suchen, und als er um eine Ecke bog, riss ihm ein starker Luftzug seine Fackel aus den Händen, und sie erlosch. Als er im Dunkeln nach ihr tastete, stieß er mit dem Maultiertreiber zusammen, der seine Fackel ebenfalls verloren hatte.
    »Hier ist Qaytu!«, rief er in Richtung Umina und Chimpu, in dem Versuch, sich bei diesem ohrenbetäubenden Krach, der von tiefen, unheilvollen Tönen bis zu einem haarsträubend schrillen Heulen reichte, verständlich zu machen.
    »Wir brauchen eine Fackel«, rief die junge Frau zurück. »Im Dunkeln können wir unmöglich weitergehen.«
    »Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl. Auch wenn wir die Fackeln fänden, könnten wir sie bei diesem Luftzug nicht mehr entzünden.«
    »Wir müssen hier raus!«, schrie Umina nun verzweifelt.
    »Der Ausgang ist sicher nicht mehr so weit«, versuchte Sebastián sie zu beruhigen. »Ich gehe voraus, gefolgt von Qaytu. Danach kommt Chimpu. Du, Umina, gehst als Letzte.«
    Sebastián machte seine Gefährten auf sämtliche Hindernisse aufmerksam, während er vorsichtig weiter nach oben stieg. |375| Schließlich gelangten sie an eine breite Rampe, die zu einer Wendeltreppe führte, deren Stufen sehr steil und rutschig waren, sodass jedes Stolpern

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