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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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fand zu dieser Jahreszeit statt, während der Juni-Sonnwende. Um die Brunnenöffnung befand sich eine Zisterne. Zu Zeiten der Inkas gab es hier eine Quelle, so wurde die Zisterne gefüllt. Nachts diente sie als Spiegel, um den Himmel zu beobachten. Die Aufzeichnung der Beobachtungen erfolgte mittels dieser konzentrischen Steinkreise, wobei diese zwölf Strahlenausschnitte und die anderen Marken als Bezugssystem dienten.«
    »Das heißt, wenn wir die ehemalige Zisterne also mit Wasser füllen und die Nacht abwarten, können wir die Ausrichtung des Weges herausfinden, der in dem Quipu nachgebildet ist?«
    »Ich denke schon. Aber das rote Quipu muss in das System |378| dieser Warte eingepasst werden. Wir werden die Nacht hier verbringen müssen.«
    »Wir dürfen uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«
    »Bereuen Sie es schon, uns begleitet zu haben?«
    »Wenn ich ehrlich bin«, gestand Sebastián, »als ich beim Aufstieg zu keuchen begann, habe ich an Sie gedacht. Und als ich Sie nicht klagen hörte, überkam mich neuer Mut. Das hat mich dort unten angespornt.«
    »Und was sagen Sie zu Umina?«, flüsterte der
quipucamayo
verschwörerisch, sodass die anderen ihn nicht hören konnten.
    »Ich bewundere sie. Ich habe noch nie im Leben eine so tapfere Frau gesehen.«
    »Ich auch nicht, und ich bin bestimmt doppelt so alt wie Sie«, sagte Chimpu. »Ich habe aber auch nie eine so hübsche und resolute Frau gesehen, auch wenn es dafür natürlich eine Erklärung gibt.«
    »Ach ja?«
    »Die Mitglieder des Königshauses heirateten nur die schönsten Jungfrauen des Reiches. Und dann zeugten sie Nachfahren mit diesen Lieblingsfrauen, welche wiederum um den Platz ihrer Kinder in der königlichen Dynastie kämpfen mussten. Sie brauchten deshalb einen starken Charakter, um den ganzen Intrigen im Palast zu trotzen. Und den haben sie dann weitervererbt.«
    Nach einer gründlichen Untersuchung der Zisterne stellte Sebastián fest, dass der Wasserlauf, der sie gespeist hatte, in Richtung des Tullamayo umgeleitet worden war. Der Zulauf und die Schleusen befanden sich aber noch in gutem Zustand.
    »Ich denke, das lässt sich leicht wiederherstellen.«
    »Wunderbar! Und wir haben das Quipu. Von so etwas habe ich mein ganzes Leben lang geträumt«, gestand Chimpu und rieb sich die Hände.
    Mit Qaytus Hilfe machte der Ingenieur sich ans Werk.
    Später, als sie darauf warteten, dass es Nacht wurde und die Zisterne sich füllte,erkundeten Umina und Sebastián den Ort gründlich, um gegen unvorhergesehene Gefahren gewappnet zu sein.
    |379| Das Erste, was sie in nördlicher Richtung entdeckten, war eine felsige Erhebung, die dem Profil König Karls III. ähnelte, so, wie dieser auf den Münzen abgebildet war. Über den Rückgriff auf den uralten Brauch der Indios, die Felsen zu ihrer Umgebung zu behauen, sodass wahre Landschaftsskulpturen entstanden, wollten die Konquistadoren einstmals die Indios dazu bringen, dem fernen Monarchen zu huldigen. Denn ihre Vorfahren glaubten, wie Umina Sebastián erklärte, die Inkas seien der Erde entsprungen und der erste sie regierende König deren tiefstem Inneren.
    Dann wandten sie den Blick in die andere Richtung, zur Stadt hin, die von Sacsahuamán aus gänzlich zu überblicken war.
    »Cuzco ist wirklich schön«, sagte Sebastián.
    »Als Kind war ich mit meiner Mutter oft hier oben, um Drachen steigen zu lassen. Dann hat sie mir immer davon erzählt, wie es noch zu Zeiten der Inkas war   …«, erinnerte die junge Frau sich wehmütig.
    »Du machst dir Sorgen wegen ihr, nicht wahr?«, fragte er vorsichtig.
    »Ja   …«, antwortete Umina. »Ich weiß, ich sollte mir keine machen, denn Chimpu hat sicher recht, Carvajal wird es nicht wagen, sie zu belästigen. Aber du hast ja gesehen, wie meine Mutter ist. Sie geht Schwierigkeiten nicht aus dem Weg, im Gegenteil, sie macht sie zu ihren eigenen. Sie weiß bestimmt längst über den Einsturz Bescheid. Doch wenn sie anfängt, ihre Beziehungen spielen zu lassen, kann das unsere Lage verschlimmern.«
    »Glaubst du, man misst jetzt, da die Stadt dieser Hinrichtungen harrt, dem Einsturz im Kloster eine so große Bedeutung bei?«
    »Für den Stadtrichter wird das natürlich keine Priorität haben. Aber Carvajal und Montilla lagern genau an der Stelle, und sie wissen, was es bedeutet   … Aber ich will nicht weiter darüber nachdenken; wir haben gefunden, was wir gesucht haben, lass uns weiter die Ruinen erkunden.«
    Die weitläufigen Terrassen waren mit

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