Quipu
hervorgeholt und schlug das Rädchen dagegen, bis sich die geschwefelte Watte entzündete. Dann blies er vorsichtig in die Flamme, trat hinaus in den Sumpf und begann in einer Entfernung, die ihnen genügend Sicherheit bot, die trockenen Rohrkolben anzuzünden.
Der Wind stand günstig für sie, und bald schon erhob sich vor ihnen eine Feuerwand, die sich über die brennenden Binsen auf ihre Verfolger zuwälzte und diese zum eiligen Rückzug durch den Sumpf zwang.
Rußgeschwärzt war Qaytu auf das Stück festen Boden zurückgekehrt, wohin sich Umina und Sebastián geflüchtet hatten. Doch dann …
»Der Wind dreht sich!«, rief der Ingenieur auf einmal.
Und tatsächlich richtete sich das Feuer nun gegen sie. Funken stoben bereits in Richtung der großen, mit Moos überwucherten Baumgerippe direkt vor ihnen, die sofort Feuer fingen, ihre schwarzen, brennenden Äste fielen herab und entzündeten den bewachsenen Streifen, den der Maultiertreiber für sie als Fluchtweg vorgesehen hatte.
»Wir sind zwischen Feuer und Felsen gefangen. Und man kann kaum noch atmen«, japste Umina.
|426| »Vorsicht, die Tiere!«
Seit Qaytu das Feuer gelegt hatte, waren die Reittiere immer unruhiger geworden. Doch nun schienen sie eine noch größere Bedrohung zu wittern, die aus dem Sumpf kam.
Sebastián und Umina versuchten, sie festzuhalten, doch vergebens, die schnaubenden Tiere schlugen heftig aus und wurden dadurch ebenfalls zur Gefahr. Nur Qaytu gelang es, an das zahmste der Lastmaultiere heranzutreten und sich ein paar Decken zu schnappen, die er nass machte. Kaum hatten sie die Reittiere losgelassen, stürzten diese sich in den Sumpf, wo sie der sichere Tod erwartete.
»Was ist da vorne los?«, schrie Umina.
Irgendetwas passierte auf einem schmalen, noch nicht vom Feuer erfassten Schilfstreifen. Die Binsen bogen sich in ihre Richtung. Den sich abzeichnenden Bewegungen nach schien etwas Großes auf sie zuzukommen.
Schließlich taten sich die Rohrkolben auf, und das, was ihre Reittiere so verschreckt und in die Flucht geschlagen hatte, wurde sichtbar.
Umina war die Erste, die sich der neuerlichen Gefahr bewusst wurde.
»Pumas!«
Es waren vier ausgewachsene Tiere mit zwei Jungen, die, vom Feuer getrieben, auf sie zukamen.
Sebastián, Umina und Qaytu wichen zurück und pressten sich gegen die Steilwand.
Flankiert von seinen Artgenossen, baute sich das größte der Männchen brüllend vor ihnen auf. Es duckte sich, sein Schwanz fegte über den Boden, die Ohren waren zurückgelegt und die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengepresst, der Rachen mit den spitzen Eckzähnen weit aufgerissen, die Muskeln der mächtigen Pranken gespannt, bereit zum Sprung.
|427| Qasana
D er Maultiertreiber versuchte, sich verständlich zu machen, doch hatte Umina Schwierigkeiten, ihn zu verstehen, denn auf jede seiner Bewegungen antwortete der Puma mit einem gereizten Brüllen, in das seine Artgenossen sogleich einstimmten. »Qaytu versucht uns, glaube ich, zu sagen, dass wir nicht untätig herumstehen, sondern uns mit den nassen Decken schützen sollen«, flüsterte die junge Frau.
Der große Puma stand direkt vor ihnen und ließ sie nicht aus den Augen. Doch was war das? Eines der Weibchen machte auf einmal kehrt. Aus den Augenwinkeln sahen sie,wie es die beiden Kleinen zu einer schmalen, knapp über dem Boden befindlichen Felsspalte trieb, aus der Wasser austrat. Da erkannten sie, dass der Anführer der Gruppe nur den Rückzug der übrigen Tiere deckte. Als die Jungen durch die Spalte geschlüpft waren, folgte ihnen die Mutter, dann die anderen ausgewachsenen Tiere und zuletzt das große Männchen, das Sebastián und Umina in Schach gehalten hatte.
»Dahinter muss eine Höhle sein«, sagte Umina und hustete.
Die rauchgeschwängerte Luft um sie herum war zum Ersticken, und die Hitze wurde immer unerträglicher. Der Maultiertreiber gab ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen, dass es keine Zeit zu verlieren galt.
»Wenn wir den Pumas hinterherkriechen, greifen sie uns sicher an«, gab Sebastián zu bedenken.
»Wir müssen es riskieren. Andernfalls verbrennen wir hier bei lebendigem Leib. Die Tiere wären nicht dort drin verschwunden, wenn es keinen Ausgang gäbe.«
|428| »Gut. Aber dann lass mich vorgehen.«
Sebastián kroch durch den Spalt. Der Gang, der sich vor ihm auftat, war äußerst schmal, und er kam nur mühsam voran. Doch zumindest spürte er einen kalten Luftzug. Die Felsendecke befand sich so dicht über ihm, dass ihre
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