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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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Mörder Ihres Vaters suchen, müssen Sie eine andere Fährte aufnehmen. Ob Sie es wollen oder nicht, wir sind Ihre Verbündeten.« Da sie sah, dass der Ingenieur noch immer Zweifel hegte, fügte sie hinzu: »Seien Sie nicht so stolz und unvernünftig wie Ihr Vater. Unser gemeinsamer Feind ist ein anderer. Sie wissen, dass ich Sie beim Kapitän dieses Schiffes verraten könnte, bei dem einzigen Menschen, der von unserer Anwesenheit an Bord weiß. Und das wäre für Sie katastrophal.«
    Sebastián erwiderte nichts darauf. Worauf wollte die Mestizin hinaus?
    »Wenn ich dem Kapitän von Ihnen erzähle, bezweifle ich, dass Sie nach Panama gelangen«, versicherte sie ihm. »Und was würde Ihnen dann die Chronik nutzen?«
    Sebastián überlegte, dass sie ihm in der Tat zu nichts gereichen würde, wenn er nach der Ankunft auf dem Kontinent gleich auf ein anderes Schiff mit Kurs auf die Kanarischen Inseln verfrachtet würde.
    »Hören Sie mir zu«, fuhr sie fort. »Die Chronik ist nur dem von Nutzen, der Peru gut kennt. Es tut mir leid, Ihnen das mit solcher Klarheit sagen zu müssen, aber Sie haben genug damit zu tun, zu überleben.«
    »Und was für einen Handel schlagen Sie mir vor?«, fragte der Ingenieur.
    »Sie bringen mir diese Chronik, und ich tue so, als wären Sie nie hier in dieser Kabine gewesen.«
    »Lassen Sie mir ein paar Tage Zeit, um sie wiederzubekommen. Und dann reden wir weiter. Jetzt muss ich jedenfalls zurück in meine Hängematte. Wenn mein Fehlen auffällt,schlagen sie Alarm und fangen an, mich zu suchen.«
    »Und wie gedenken Sie zurückzukehren?«
    »So, wie ich hergekommen bin. Indem ich mich am Schiffsrumpf entlanghangele.«
    »Mitten in der Nacht? So sind Sie hergekommen?«
    |174| »Über die Treppe wäre es nicht möglich gewesen. Sobald ich hier hinausgehe, stoße ich auf die Wache der Pulverkammer.«
    »Sie sind ziemlich waghalsig«, staunte Umina. »Es ist ein Wunder, dass Sie es geschafft haben, hierherzugelangen. Das Schicksal zweimal so auf die Probe zu stellen ist allerdings Selbstmord. Wir helfen Ihnen, zurückzufinden. Allerdings habe ich eine Bedingung.«
    »Und die wäre?«
    »Sie kennen sie bereits. Ich möchte das, was mir zusteht: die Chronik. Sie ist bei Ihnen nicht sicher, und ich habe dasselbe Recht, sie zu lesen, wie Sie   … Und jetzt gehen Sie. Wenn man Sie hier erwischt, bin auch ich in Gefahr. Qaytu wird Ihnen den sichersten Weg zu Ihrem Schlafplatz weisen. Mit Gesten, denn er ist stumm.«
    Die Mestizin öffnete die Kajütentür, rief den Indio und richtete ein paar Worte in ihrer Sprache an ihn, worauf Qaytu Sebastián bedeutete, ihm zu folgen.
    Er führte ihn zu einer nachträglich eingezogenen Wand, die diesen Bereich vom Rest des Schiffes trennte. Das war also der Schiffsumbau, den er in Hermógenes’ Hellegatt gesehen hatte. Auf der anderen Seite der Trennwand befand sich ein Raum, der Zugang zu den Kanonen im Heck bot und über dem die Ruderpinne im Halbkreis geführt wurde. Der Indio winkte ihn zu einer Luke, die sich in der Mitte des Schiffes, ganz in der Nähe des Kiels, befand. Zu Sebastiáns Überraschung führte sie hinab in eine Kammer im Unterdeck, wo der Maat Rohrwischer, Lunten und Ladestöcke aufbewahrte. Die Kielwölbung diente hier als Treppe.
    Unten öffnete Qaytu eine Schiebetür, bedeutete Sebastián, den engen Gang dahinter zu betreten, überreichte ihm dann die Petroleumlampe und zog die Tür wieder hinter sich zu.
    Wo würde er auf der anderen Seite wieder herauskommen? Nachdem Sebastián das Schiff in seiner ganzen Länge durchschritten hatte, gelangte er zu einer weiteren Tür, die mit einem Riegel verschlossen war. Er stellte die Petroleumlampe auf dem Boden ab und zog beidhändig mit ganzer Kraft, bis sich die Tür |175| zu bewegen begann. Als er ein hässliches Quietschen vernahm, hielt er inne. Er löschte die Lampe, tastete nach ihrem Ölbehälter und kühlte das Öl durch Pusten so weit ab, dass er mit den Fingern ein paar Tropfen entnehmen konnte. Damit schmierte er die Scharniere und wartete, bis das Öl Wirkung zeigte und er die Tür leise öffnen konnte.
    Vor ihm lag die Treppe zum Bug, die mit einer schwachen Laterne beleuchtet war. Er ließ seine Lampe in dem Gang zurück und schloss behutsam die Tür hinter sich. Dann stieg er, jedes Geräusch vermeidend, die Stufen hinauf.
     
    Als er in seine Hängematte fiel, konnte er vor Anspannung zunächst nicht einschlafen. Die Verwirrung war zu groß. Bei der Mestizin erklärte die

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