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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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als früher, kaum wieder. Er schien ihn aus einer anderen Welt anzublicken, aus einer anderen Zeit.
    »Sehen Sie ihn sich genau an«, herrschte sie ihn mit weichem, fast seidenem Akzent an. »Dieser Spiegel hat einmal Sírax gehört.«
    Sírax? Es war völlig unmöglich. Woher wusste die Mestizin von der Inkaprinzessin, deren Geschichte in der Chronik beschrieben war?
    »Wer   … sind   … Sie?«, begehrte Sebastián auf, während er versuchte, sich aus dem Würgegriff ihres Leibwächters zu befreien. »Und warum haben Sie meinen Vater getötet?«
    Sein Ungestüm nützte ihm jedoch nicht viel. Der Indio lockerte zwar seinen Griff, aber er ließ ihn nicht los.
    »Ah, ich verstehe!« Die Mestizin lächelte. »Sie glauben also, ich sei dafür verantwortlich.«
    »Wer sonst hat meinem Vater am Vorabend seines Todes einen Besuch abgestattet?«
    »Ich wollte ihn warnen.«
    »Ihn bedrohen, meinen Sie wohl.«
    »Wir sollten besser über Sírax und Diego de Acuña reden«, wich sie aus und sah ihn dabei fest an. »Und über diese Chronik. Ich habe Ihren Vater gewarnt   … Aber er wollte nichts davon hören   … Ich hoffe, Sie begehen nicht denselben Fehler.«
    »Was haben Sie ihm gesagt?«
    |169| »Ich habe ihm von Vilcabamba erzählt und vom Auge des Inka, wo sich der Schatz befinden muss. Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich ihm mehr verraten habe als gut war. Aber wer konnte auch ahnen, dass Ihr Vater so unvorsichtig sein würde, das alles einem Komödianten in den Mund zu legen, dazu noch im Beisein von halb Madrid?«
    »Vielleicht hatte er keine andere Wahl   …«
    »Die hätte er gehabt. Ich habe ihm geraten, sich nicht einzumischen. Und dasselbe sage ich nun auch Ihnen. Sie sollten sich aus diesen Erbstreitigkeiten heraushalten. Geben Sie mir diese Chronik und lassen Sie mich das erledigen. Sie haben mit dem Ganzen nichts zu tun.«
    »Nichts zu tun? Mein Vater und mein Onkel wurden deswegen umgebracht!«
    »Ihnen wird es nicht anders ergehen, wenn Sie so weitermachen.«
    »Wollen Sie mir drohen?«
    »Mein Gott, begreifen Sie nicht?! Ich habe niemanden umgebracht! Und für Sie besteht keine Notwendigkeit, das alles durchzustehen.«
    »Aber für Sie schon?«
    »Ja, mir bleibt nichts anderes übrig.«
    »Dann werden Sie mir einen guten Grund dafür nennen müssen, weshalb ich Ihnen die Chronik überlassen soll.«
    »Wissen Sie, wo ich in Cuzco lebe? Im Schlangenhaus. Das kommt Ihnen bekannt vor, nicht wahr?«
    Sebastián war verblüfft: im Schlangenhaus? Dem Haus, in dem Quispi Quipus Geschichte begann und in dem sie mit ihrer Tochter Sírax gewohnt hatte?
    »Woher wissen Sie von Sírax’ Geschichte? Hat mein Vater sie Ihnen erzählt, bevor Sie ihn getötet haben?«
    »Ich habe ihn nicht getötet, wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?!«, schnitt sie ihm unwirsch das Wort ab. »Wenn Sie diesen Unsinn noch einmal behaupten, lasse ich den Kommandanten dieses Schiffes rufen.«
    |170| »Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Wahrscheinlich haben Sie dieses ungetaufte Stück Fleisch mit den Morden beauftragt«, knurrte er, auf den Indio weisend, der ihn noch immer gepackt hielt.
    »Er heißt Qaytu und
ist
getauft. Und auch er hat Ihren Vater nicht umgebracht. Ich weiß um diese Dinge, weil meine Mutter von der königlichen Inkafamilie abstammt. Von Quispi Quipu.«
    Als Sebastián ihr mit einer Geste zu verstehen gab, dass er ihr kein Wort glaubte, seufzte sie ergeben,öffnete eine Schublade und holte ein Schreiben heraus.
    »Sie sind wie Ihr Vater   … Hoffentlich überzeugt Sie wenigstens dieses Dokument. Es ist eines der Papiere, die ich wegen meiner Forderungen mit nach Spanien gebracht habe. Ich nehme an, Sie haben in der Chronik gelesen, dass sich Quispi Quipu, bevor man ihr ihre Ländereien und das Schlangenhaus wegnahm, mit einem Bittgesuch an König Philipp II. wandte. Nun, als man sie bereits aus ihrem Haus vertrieben und all ihren Besitz versteigert hatte, ja, als sie bereits dem Tode nahe war, wurde ihr dieses königliche Dekret überbracht, das so beginnt: ›Seine Majestät, Philipp II., König von Gottes Gnaden über Kastilien, León, Aragón, die beiden Sizilien, Jerusalem, Navarra, Granada, Toledo, Valencia, Galicien, Mallorca, Sevilla, Sardinien, Córdoba, Korsika, Murcia, Jaén, die Algarve, Algeciras, Gibraltar, die Kanarischen Inseln und das Festland jenseits des Meeres, Marqués von Flandern und Tirol   …‹«
    »Wenn sie sich diese ganzen Titel gespart hätten«, unterbrach

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