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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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begleiten.
    |178| Acuña beschrieb die Route, auf der sie bis ins Umland von Vilcabamba vordrangen, wo ein heftiges Gewitter losbrach, das die Wege schlammig und den Marsch durch Geröll und Sumpf, bei dröhnendem, in den Schluchten laut widerhallendem Donner, noch beschwerlicher machte. An ihrem Ziel angelangt, wurden sie von einem der Berater des Inkas empfangen, der ihnen befahl, ihre Lager aufzuschlagen und zu warten, bis der Inka über die Audienz entschieden hätte.
    Als am nächsten Morgen der Nebel sich lichtete und langsam von den Bergspitzen löste, erstrahlte die neue Inkahauptstadt in ihrem ganzen Glanz. Sie war auf zwei Bergen errichtet worden, in deren Steilhänge die Indios Terrassen und Treppen geschlagen hatten. Dort erhoben sich Tempel und Paläste, die durch die wilde Landschaft und die erhabene Kraft der gebirgigen Natur geradezu majestätisch wirkten. Die mächtigen Befestigungsanlagen grenzten an einer Seite an einen unzugänglichen Abhang, in dessen Tiefe der reißende, durch den frischen Regen angeschwollene Fluss zu hören war; auf der anderen Seite erstreckte sich ein Tal von außergewöhnlicher Fruchtbarkeit, über das die Nebelschwaden zogen, bis sie sich in dem dichten, in leuchtendem Smaragdgrün erstrahlenden Urwald verloren.
    Die Spanier warteten. Diego vertrieb sich die Zeit, indem er mit dem Befehlshaber der Eskorte Schach spielte.
    Dieser war ein Soldat mit langjähriger Erfahrung und nicht weniger Dünkel, den Martín de Loyola als Vertrauensmann in seine Dienste genommen hatte. So überzeugt war dieser Veteran von sich selbst, dass er nicht nur mit seinem Namen unterschrieb, sondern diesem ein »von Anfang an dabei« hinzufügte. Er war einer der hundertsiebzig Männer, die Atahualpas Heer in Cajamarca den Todesstoß versetzt hatten. Seit jenem Ereignis betrachtete er sich als eine Art neuen Adligen und war ungeheuer stolz darauf. Auf den ersten Blick wirkte der hagere Mann nicht besonders einschüchternd, doch er war äußerst gefürchtet wegen seines Jähzorns.
    |179| Bei einer der Partien berührte nun Diego aus Versehen einen seiner eigenen Türme, ohne diesen jedoch ziehen zu wollen, worauf sein Gegner verlangte, dass er den Zug nun auch ausführen müsse. Dann schlug er den Turm mit seinem Pferd und nahm ihn kurzerhand aus dem Spiel. Acuña stellte ihn jedoch wieder auf seinen Platz und setzte auch das gegnerische Pferd zurück auf die Ausgangsposition.
    An den Augen des Veteranen erkannte er, dass dieser Zug böse Folgen haben konnte. Der Offizier griff wie zufällig nach seinem Dolch. Diego wusste, was dies bedeutete: Bei anderer Gelegenheit hatte er einmal die Hand eines Gegners auf dem Spieltisch aufgespießt, weil dieser angeblich gezinkte Karten verwendet hatte.
    Mit der Rechten fasste Diego nun seinen Dolch und strich über den Knauf. So verharrten die beiden, ihre Waffen umklammernd und sich gegenseitig anblickend, damit ihnen nicht das kleinste Täuschungsmanöver des anderen entging.
    Da nahm der Offizier den strittigen Turm und schleuderte ihn über die hohe Mauer der Zitadelle, zu der den Spaniern der Zutritt untersagt war.
    »Seht Ihr jetzt ein, dass die Figur verloren ist?«, blaffte er und wandte sich dann an die Umstehenden. »Mal sehen, ob der Talisman an seinem Hals ihm jetzt etwas nützt.«
    Acuña war ein friedliebender Mensch, wenngleich keiner, der sich gleich geschlagen gab. Deshalb beschloss er, sich die Spielfigur wiederzuholen.
    Anfangs glaubte er noch, die Mauer mithilfe von zwei Dolchen ersteigen zu können. Daher bat er, man möge ihm einen zweiten leihen. Aber es war einfach nicht möglich, die Klingen in die Mauer zu stecken. Die einzelnen Quadersteine waren so sorgsam zusammengefügt, dass nicht einmal eine Stecknadel dazwischen Platz gehabt hätte.
    Aber Acuña gab nicht auf. Auf der Suche nach einer zugänglicheren Stelle entfernte er sich jedoch zunehmend von der Gruppe. Das gedämpfte Geschrei seiner Kameraden |180| wurde immer leiser, bis es irgendwann nicht mehr zu hören war. Der Mauer folgend, stieg er einen Hügel hinauf, wo er auf halber Höhe auf einen schmalen Pfad stieß, der in eine Felsenschlucht führte. Die Mauer war an dieser Stelle mit Zinnen versehen und verfügte über gewaltige Verteidigungstürme. Und an Steilhängen lagen große Steinbrocken auf Plattformen, von wo aus man sie mit einfachen Brechstangen auf mögliche Eindringlinge rollen lassen konnte.
    Das Gewitter des Vortags hatte einen hohen, dicht belaubten Baum

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