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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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zu sein schien, vor und schrie:
    »Wenn er ihn verteidigt, dann nur deswegen, weil er ihn kennt und sein Komplize ist. Werft ihn über Bord!«
    Hermógenes versuchte, sich Gehör zu verschaffen, um Sebastiáns |213| Aussage zu bestätigen. Doch Montillas Männer zogen ihn zur Seite und ließen ihn nicht reden. Nicht einmal den Kaplan ließen sie zu Wort kommen.
    Mit drohenden Gebärden gingen einige der Seeleute auf Sebastián und Qaytu zu, um sie über Bord zu werfen.

|214| Waffenstillstand
    A ls sie die beiden ergreifen wollten, erhob sich plötzlich aus den hintersten Reihen der Besatzung ein Murmeln, das immer lauter wurde und die Männer, die die beiden ins Meer werfen wollten, veranlasste, sich umzudrehen.
    Plötzlich trat Stille ein. Die Matrosen bildeten wie von selbst eine Gasse. Die Luft war wie elektrisiert, und lediglich das Knattern der Segel war zu hören.
    Und da sah er sie. Umina, in ihren Mantel gewickelt, mit dem Selbstbewusstsein und der Würde einer Königin. Ohne Hast, ohne jegliches Anzeichen von Angst, schritt sie zu Qaytu, nahm ihn am Arm und zog ihn mit sich fort. Niemand wagte zu widersprechen. Mit einem Wink forderte sie Sebastián auf, sich ihnen anzuschließen.
    Der Ingenieur begriff, dass es keine Zeit zu verlieren galt, da die Matrosen sonst womöglich ihre Meinung änderten. Schnell folgte er ihnen zum Achterdeck, wo Umina Valdés aus seiner Haft befreite.
    Der Kapitän eilte sofort zu seinen Männern und befahl ihnen, an ihre Posten zurückzukehren. Und erstaunlicherweise gehorchten sie.
    Valdés wunderte sich über die Unerschrockenheit der Mestizin.
    »Was hätten Sie gemacht, wenn sie sich auf Sie gestürzt hätten?«, wollte er wissen.
    »Dann hätte ich geschossen«, antwortete sie ungerührt.
    Sie öffnete ihren Mantel und zeigte ihnen den dicken Ledergürtel |215| mit den beiden geladenen Pistolen, den sie sich quer über die Brust gespannt hatte.
    »Dumm ist nur, dass die Besatzung Sie jetzt gesehen hat und alle erfahren werden, dass Sie nach Peru zurückreisen«, bedauerte Valdés.
    »War es wirklich so wichtig, das geheim zu halten?«, erkundigte sich Sebastián.
    »Mein ganzer Plan beruhte darauf«, gestand Umina entmutigt. »Jetzt werden meine Feinde zuschlagen.«
    »Welche Feinde?«
    »Die
encomenderos
. Ich kenne weder Gesicht noch Name desjenigen, den sie diesmal ausgesandt haben. Diese spanischen Großgrundbesitzer wollen nicht, dass sich irgendetwas ändert. Und sie werden alles dafür tun.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen sagen, wer dieser Mann ist. Er hat mich eines Nachts in meiner Hängematte überfallen.«
    »Jemand hat Sie überfallen?«, fragte der Kapitän überrascht. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
    »Es ist ja nichts passiert. Ich konnte ihn in die Flucht schlagen und am Arm verletzen. Am linken.«
    »Sie hätten es mir gleich mitteilen sollen. Ich werde Besatzung und Passagiere Aufstellung nehmen lassen. Auf diese Weise werden wir erfahren, wer es ist«, versicherte Valdés.
    »Können Sie das nach diesem Meutereiversuch denn noch tun?«
    »Das war keine Meuterei. So etwas kommt immer mal wieder vor, insbesondere dann, wenn man schon lange unterwegs ist. Es liegt an dem Umstand, dass ein neuer Kapitän mit einer Besatzung zusammenkommt, die der alte Kapitän nicht richtig im Griff hatte. Die Matrosen fühlten sich verraten, weil Menschen an Bord waren, über deren Anwesenheit sie nicht Bescheid wussten.«
    »Und dann war da noch jemand, der diese Unzufriedenheit geschürt hat.«
    »Vielleicht«, entgegnete Valdés. »Aber lassen Sie uns nun die Besatzung überprüfen.«
    Kurz darauf befahl der Kapitän dem zweiten Offizier, sämtliche |216| Männer sich aufstellen und den linken Arm freimachen zu lassen. Nach einer gründlichen Inspektion musste er jedoch feststellen, dass keiner von ihnen eine Wunde aufwies.
    »Haben Sie die Männer von Montillas Expedition auch überprüft?«, fragte Sebastián.
    »Ja. Und falls es Sie interessiert, es fehlt einer.«
    »Dann ist es der.«
    »Der Marqués hatte mir zuvor mitgeteilt, dass einer seiner Männer während des Sturms über Bord gegangen ist.«
    »Und das glauben Sie?«
    »Ich werde es wohl müssen.«
    »Wie hieß er?«
    »Ojeda. Ein Schiffszimmermann. Aber der Name kann falsch sein.«
    Gewiss war nur, dass der Mann, den Sebastián am linken Arm verletzt hatte, nirgendwo zu finden war, sodass dieser fast schon geneigt war, zu glauben, der nächtliche Überfall sei nur ein böser Traum gewesen – wäre

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