Quipu
am 24. Juni 1572, feierten die Christen das Johannisfest und die Inkas die Inti-Raymi-Zeremonie zur Juni-Sonnwende, das größte all ihrer Feste. In aller Frühe gab General Hurtado de Arbieto den Befehl zum Stürmen.
Verlassen und geisterhaft lag die Stadt da, als sie dort ankamen. Die Häuser, mindestens vierhundert an der Zahl, waren leer, und nichts, was man in irgendeiner Weise hätte gebrauchen können, war darin verblieben. Die Paläste, Tempel und Vorratslager qualmten noch von dem Feuer, das sie zerstört hatte. Die Indios hatten sämtliche Vorräte, die sie nicht auf die Flucht hatten mitnehmen können, niedergebrannt, so gekonnt, dass nicht einmal die Spanier es hätten besser machen können.
Nach einer Erkundung der Zitadelle und der Umgebung galt es, eine Entscheidung zu treffen. Die Indios hatten sich aus dem Staub gemacht. Diego wanderte über das Gelände und verweilte lange Zeit an der Zisterne, in der er Sírax überrascht hatte, und weinte bittere Tränen angesichts der sich anbahnenden Tragödie.
Von dort wurde er schließlich geholt. Man wollte einen der in der Umgebung gefangen genommenen Indios befragen. Unter Androhung von Folter gestand er, der Inka sei mit den Seinen flussabwärts geflohen und habe sich zusammen mit einer kleinen Eskorte von achtzig Untergebenen in den |209| Urwald auf das Gebiet der Manarí-Indios geschlagen. Acuña verspürte eine große Erleichterung im Herzen und versuchte, während er die fremden Worte übersetzte, den Gefangenen über Sírax auszufragen. Doch dieser wollte ihm nichts über die junge Frau sagen.
Einer der anschließend ausgeschickten Trupps erbeutete kurz darauf den Punchao, an dessen Beschlagnahme dem Vizekönig Toledo sehr viel gelegen war. Ein anderer kam mit Manco Cápacs und Tito Cusis Mumien zurück. Doch niemand fasste den Inka oder seine engsten Familienangehörigen. Da erbot sich Martín de Loyola, einen Feldzug zur Ergreifung Túpac Amarus zu befehligen. Er wählte fünfzig Soldaten aus und ordnete den sofortigen Abmarsch an, mit Diego de Acuña als unvermeidlichem Dolmetscher.
Sie zogen vierzig Meilen flussabwärts, bis sie an einer Anlegestelle einige Indios überraschten, die sie zwangen, ihnen zu verraten, wohin der Inka geflohen war. Sie berichteten, er komme nur langsam voran, da seine Frau kurz vor der Niederkunft stehe. Er umsorge sie sehr liebevoll und mache öfter Rast, was ihren Marsch erheblich verlangsame.
Erfreut über diese Aussage, trieb Martín de Loyola seine Männer noch mehr an. Als sie ungefähr zwanzig Meilen durch den Urwald vorgerückt waren, entdeckten sie bei Einbruch der Dunkelheit ein Lagerfeuer. Vorsichtig näherten sie sich und sahen, dass es der Inka mit seiner Frau war.
So gelang es ihnen, Túpac Amaru gefangen zu nehmen, als dieser gerade in ein Kanu steigen wollte, nur drei Reisestunden vom Fluss Urubamba entfernt, wo seine Spur nicht mehr zu verfolgen gewesen wäre. Am meisten beeindruckte Diego die Tatsache, dass er niemals gefasst worden wäre, hätte er sich nicht so liebevoll um seine schwangere Frau gekümmert. Diese Liebesbezeugung inmitten des wilden Urwalds rührte ihn zutiefst, bestätigte sie doch den edlen Charakter des Inkas, der ihm bereits während seines kurzen Aufenthalts in Vilcabamba aufgefallen war.
|210| Bei erster Gelegenheit befragte er den gefesselten Inka nach Sírax. Dieser antwortete ihm gleichmütig, sie sei nicht bei ihnen. Auf dem Rückweg nach Vilcabamba versuchte er erneut, etwas über die junge Frau herauszubekommen, doch Túpac Amaru verriet ihm nichts. Bis ihm schließlich seine Ehefrau, die Diegos aufrichtige Gefühle und Sorge spürte, zuflüsterte, sie in Cuzco zu suchen.
So endete die glorreiche Geschichte der letzten Bergfeste der Inkas, die den spanischen Konquistadoren über fünfunddreißig Jahre lang den Schlaf geraubt hatte. Und die Beschreibung jenes Niedergangs in Diego de Acuñas Chronik verströmte eine so deutliche Melancholie, dass sie jedes andere Gefühl überlagerte.
So zumindest empfand es Sebastián de Fonseca, dessen Stimmung darüber hinaus durch die traurigen Ereignisse der Gegenwart und die Stille der Krankenstation überschattet wurde. Und über diesen Gedanken schlief er an Miguels Bettstatt ein.
Er wurde von dem Schiffsarzt geweckt, der nach dem Verletzten sah.
Nachdem dieser Miguel untersucht hatte, konnte der Ingenieur nicht umhin, ihn zu fragen: »Was ist eigentlich mit Miguelitos Gesicht los? Wenn er versucht zu lächeln,
Weitere Kostenlose Bücher