Quipu
fertig beladen war, stiegen sie deshalb schnell ein, und Don Luis erteilte den Befehl zur Abfahrt. Qaytu hatte sich auf dem Kutschbock neben dem Kutscher niedergelassen, und vier gut bewaffnete Männer ritten neben ihnen her. Die Glöckchen der Zügel erklangen, als die Kutsche sich in Gang setzte und über das Pflaster der Hauptstraße rumpelte. Kaum mehr als eine Reihe niedriger, gekalkter Häuser war zu sehen, auf deren Dächern Aasgeier darauf lauerten, eines toten Hundes oder Esels ansichtig zu werden.
Der Anstieg der Straße nach Lima war zunächst sanft, hinter dem Friedhof Bellavista war auf einigen Abschnitten des
Camino Real
, des Königlichen Wegs, die Steigung allerdings deutlich zu spüren. Ein Kreuz erinnerte an das Wunder während des Erdbebens von 1746, als eine riesenhafte Welle den Hafen mit solcher |247| Wucht überrollte, dass ein mächtiges Schiff samt seiner Besatzung landeinwärts geschwemmt wurde. Als das Wasser sich blitzartig wieder zurückzog, war es unversehrt liegengeblieben, ohne dass irgendjemand zu Schaden gekommen war.
Sie hatten angehalten, um dies alles dem staunenden Sebastián zu erklären, als sie auf ein paar Reiter aufmerksam wurden, die vom Hafen her kamen. Unter ihnen konnte Sebastián Bracamoros und ein paar weitere Teilnehmer aus Montillas Expedition erkennen, die, eingehüllt in eine Staubwolke, in Richtung Lima unterwegs waren.
»Das sind Männer von der ›África‹!«, sagte Sebastián überrascht. »Mit dem einen habe ich mich geprügelt.«
»Gut zu wissen«, erwiderte Zúñiga.
Als sie sich wieder in Bewegung setzten, erzählte Umina dem Kaufmann, was sie über die Expedition des Marqués de Montilla und seine Verschwörung mit Alonso Carvajal wussten.
Don Luis machte keinen Hehl aus seiner Besorgnis über diese Neuigkeiten.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, brummte er und schüttelte verärgert den Kopf. »Als hätten wir nicht schon genügend Unruhe in diesem Land.«
»Ist die Lage so ernst?«, fragte sie.
»Ja, sie ist noch viel schlimmer als zum Zeitpunkt deiner Abreise. Hier herrscht inzwischen ein heilloses Durcheinander.«
Die Landschaft wurde langsam abwechslungsreicher. Weiden und Zuckerrohrfelder säumten nun die Bewässerungsgräben. Diese erstreckten sich mit den Luzernen- und Maisfeldern bis hinunter zum Rímac, dem Fluss, der Lima einst seinen Namen gab. Unweit der Stadt erblickte man mit Lehmmauern umgebene Gärten, in denen Orangen-, Feigen- und Granatapfelbäume sowie Weinreben wuchsen. Aus den Taubenschlägen erklang das Gurren der Vögel. Bald schon gelangten sie an eine Allee, die zur Stadtmauer und zum Fluss führte. Sie fuhren über eine Brücke und kamen schließlich zur Plaza Mayor, die von der Kathedrale, dem Palast des Vizekönigs und dem Rathaus beherrscht wurde.
|248| Don Luis de Zúñiga musste sich dem Ingenieur gegenüber durchsetzen, damit dieser seine Gastfreundschaft auch annahm.
»Ich will Ihnen nicht zur Last fallen«, versuchte Sebastián sich zu widersetzen.
»Sie fallen mir zur Last,wenn Sie meine Einladung ausschlagen«, erwiderte Zúñiga. »Es wäre vollkommen unvernünftig, wenn Sie sich in irgendeiner Herberge einquartierten. Sie wissen nicht, wie gefährlich dieser Alonso Carvajal ist. Und Sie sollten wissen, dass einer meiner Nachnamen ebenfalls Fonseca lautet. Vielleicht sind wir sogar entfernte Verwandte. «
|249| Lima
K aum hielt die Kalesche vor dem Palast, an dessen Front zwei prächtige Balkone in maurischem Stil prangten, gingen auch schon die bronzebeschlagenen Tore auf, und die Kutsche fuhr in den Hof, vorbei an einem Keramikbrunnen, der in seiner Mitte sprudelte. Sie hielten vor den üppigen Blumentöpfen mit Stechapfelblüten, Nelken und Jasmin. Am Eingang zur Vorhalle waren dicke Stahlringe zu sehen, da das Gebäude zu den sogenannten »Kettenhäusern« zählte.
»Das ist ein altes Adelsprivileg«, erklärte Umina Sebastián. »Die Gerichtsbarkeit von Lima darf diese Kette nicht ohne die Erlaubnis des Hauseigentümers überschreiten.«
»Nur Freunde des Hauses dürfen das«, fügte Luis de Zúñiga hinzu. »Betrachten Sie sich als Freund. Ich weiß, wie unverhofft diese Reise für Sie war. Ich finde hoffentlich ein paar Kleider, die Ihnen passen. Wenn es Ihnen recht ist, schicke ich Ihnen meinen Barbier, sobald Sie sich ein wenig frisch gemacht haben.«
Sebastián war dankbar für Zúñigas Gastfreundschaft. Sein Zimmer im oberen Stockwerk war mit edlen Tapeten, Vorhängen und Teppichen
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