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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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schien als die Übrigen. »In den Bergen brodelt es. Denken Sie nur an diesen José Gabriel Condorcanqui. Er hat 1777 einen Gutteil des Jahres hier in Lima dafür gekämpft, als Erbe der Inkas anerkannt zu werden. Er schwingt sich zum Beschützer der Indios gegenüber den Großgrundbesitzern auf.«
    »Sie hatten bei diesem Prozess den Vorsitz, nicht wahr?«, fragte Umina und warf dabei Sebastián einen Blick zu, um seine Aufmerksamkeit auf diese Angelegenheit zu lenken, die den übrigen Tischgenossen hinreichend bekannt war.
    »In der Tat, Señora«, antwortete der Richter. »Condorcanqui behauptet, Nachfahre von Túpac Amaru, dem letzten Inka von Vilcabamba, zu sein, der 1572 hingerichtet wurde. Er hat in Cuzco bei den Jesuiten im Adligen-Kolleg des heiligen Franz von Borja studiert.«
    »Ich habe gehört, dieser Condorcanqui sei Kazike«, fügte die junge Frau hinzu, »und besitze auch dort einen Zug von dreihundertfünzig Maultieren, die ihm den Handel und ein sorgenfreies Leben ermöglichen.«
    »So ist es. Vor gut zwei Jahren kam er nach Lima, um als rechtmäßiger Nachfahre der Inkas anerkannt zu werden.«
    »Diese Forderung ist weit davon entfernt, rechtmäßig zu sein«, widersprach Umina.
    »Gewiss, gewiss, Señora«, pflichtete Ampuero ihr ritterlich bei. »Aber Condorcanqui hält sich für einen Nachfahren Túpac Amarus, hat dessen Namen angenommen und gibt ein Vermögen für Anwälte aus.«
    »Das ist nichts Neues«, schaltete Don Luis sich ein. »Es hat in Cuzco immer Menschen gegeben, die sich als Nachfolger der Inkas bezeichnet haben, gestern Juan Santos, heute Condorcanqui   … Genauso wie es stets diese wissenschaftlichen Expeditionen gegeben hat: gestern Don Jorge Juan und Don Antonio |253| de Ulloa oder die Franzosen Gaudin und La Condamine; heute Hipólito Ruiz, dieser Marqués de Montilla oder Perico de los Palotes. So, wie Bischöfe stets ihre Privilegien einfordern, Mönche die gleichen Vorrechte beanspruchen wie die aus dem benachbarten Kloster, die Universität um ihre Professorenstellen kämpft, Kaufleute wie wir weniger Steuern zahlen wollen   …«
    Die Gesellschaft schloss sich dieser kritischen Meinung an. Doch Ampuero machte keinen Hehl aus seiner Besorgnis:
    »Diesmal ist es anders, Zúñiga, glauben Sie mir. Die Teilung des Vizekönigreiches hat bewirkt, dass Buenos Aires und der Río de la Plata den Löwenanteil davongetragen haben. Die Engländer, die um diese Unzufriedenheit wissen, liegen auf der Lauer. Und die vertriebenen Jesuiten hegen großen Groll   …«
    »Gott ist im Himmel, der König in Spanien, und wir sind hier. Das Mutterland ist weit weg, und seine Gesetze müssen sich an das Klima dieser Breiten anpassen«, fügte jemand hinzu.
    »Auf große Entfernungen große Lügen. Ein Prozess, der auf die Iberische Halbinsel geschickt wird, bedeutet nicht Gerechtigkeit, sondern Vorhölle der Gerechten und ewiges Leben, amen«, sagte ein anderer.
    »Es war nur gut, dass die Jesuiten vertrieben wurden«, mischte Ampuero sich ein, verärgert über die Verunglimpfung seines Berufsstandes.
    »Ah, das ist ein anderes Thema«, erwiderte der Erste. »Ihre Doktrin lehrte nicht nur die Untreue gegenüber dem König, sondern befürwortete vor allem die Herrschaft des Volkes. Die ehrwürdigen Padres verkündeten in aller Öffentlichkeit, Gott übertrage die Macht nicht dem König, sondern dem Volk, und dieses gebe sie dann an den Monarchen weiter oder auch nicht. Nicht wenige Jesuiten, die hier auf Kosten anderer gelebt haben, stehen im Dienst der Engländer, seit wir im letzten Jahr unsere Beziehungen zu dieser Nation abgebrochen haben. Und derzeit unterstützen bekanntermaßen viele die Aufstände in den Anden. Ebenso wie diesen Condorcanqui.«
    »Sie werden aber auch zugeben, dass die Vertreibung der Jesuiten |254| in weiten Teilen Europas große Zustimmung fand. Und das waren nicht die ungebildetsten Kreise«, fügte ein anderer hinzu.
    Da konnte Sebastián nicht mehr an sich halten. »Ja, dasselbe Europa, das immer noch gegen die Vertreibung der Juden durch die katholischen Könige, die Verfolgung der Protestanten durch Philipp II. oder die der Mauren durch Philipp III. wettert. Waren die Jesuiten etwa weniger spanisch als diese oder weniger peruanisch als die Leute hier?«
    »Ihr aberwitziger Hochmut war nicht länger zu ertragen, ihre Falschheit   …«
    »Das war bei vielen nicht anders«, entgegnete Sebastián. »In Europa wird in unzähligen Schriften die Schwarze Legende

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