Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
Vom Netzwerk:
Fonseca.
    »Trinken Sie das«, befahl die junge Frau, während sie ihm den Kopf stützte.
    »Noch mehr Eiweiß?«, protestierte er. »Meine Kehle ist schon so geschmeidig, dass ich Opern singen könnte.«
    »Um Himmels willen, nein, wir wollen es ja nicht noch schlimmer machen«, erwiderte sie lachend. »Aber Qaytu besteht darauf, dass das bei einer Quecksilbervergiftung das Beste ist.«
    »Ist er jetzt auch noch zum Heiler geworden?«
    »Das hat er in den Quecksilberminen von Huancavelica gesehen. Trinken Sie das, bitte, und wenn Sie dann noch ein bisschen |240| in der frischen Luft ausruhen, sehen Sie auch bald wieder wie ein Mensch aus.«
    Sebastián war in einer schlimmen Verfassung gewesen: Er hatte Fieber gehabt, Schwindel, Krämpfe. Und obwohl es ihm nun wieder besser ging, zitterten seine Lippen und Lider noch immer leicht.
    Qaytu und Umina hatten ihn mithilfe der Angestellten ihres Familienunternehmens in Panama aus dem Laderaum der »África« geholt. Als Kommandant Valdés Sebastiáns Zustand sah, überließ er ihn der Pflege der jungen Frau, da er um das Leben des Ingenieurs fürchtete, falls man ihn ins Gefängnis steckte. Und ehe er selbst seine Reise fortsetzte, hatte er der Mestizin noch die Dokumente übergeben, die sie den Behörden vorlegen sollte, sobald Fonseca außer Lebensgefahr sei. Der Kapitän war sich darüber im Klaren, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen handeln würde.
    Sobald der Ingenieur imstande war, an Bord zu gehen, machte Umina den Einfluss ihrer Handelsvertreter in Panama geltend und setzte sich für Sebastiáns Freilassung ein, wobei sie die verfänglichen Details wie seine Einschiffung als blinder Passagier einfach wegließ. Anschließend brachte sie ihn ohne weitere Erklärungen auf das Postschiff.
    Anfangs waren die Erinnerungen des Ingenieurs aufgrund des Fiebers sehr wirr gewesen. Die Mestizin war nicht von seiner Seite gewichen. Mehr als einmal hatte er sie vor sich gesehen, wenn er aus seinen Träumen aufschreckte und sie gerade seine Stirn kühlte oder, von Müdigkeit übermannt, einfach nur neben ihm lag.
    »Was ist im Laderaum der ›África‹ geschehen?«, hatte sie ihn gefragt.
    »Ein Mann hat mich angegriffen. Aber ich konnte mich verteidigen, und als die Luken geöffnet wurden, ist er geflüchtet.«
    »Konnten Sie herausfinden, wer es war?«
    »Die Unterlagen in seinem Gepäck weisen ihn als Alonso Carvajal y Acuña aus.«
    Als Umina und Qaytu diesen Namen hörten, sahen sie sich erschrocken an. Sie waren wie gelähmt.
    |241| »Sind Sie sich da sicher?«
    Als Sebastián dies bejahte, bemerkte er, wie sich das Gesicht der Frau verzerrte und ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Er sah, dass sie zitterte.
    »Gütiger Gott!«, rief sie in einer Mischung aus Verzweiflung und Ohnmacht.
    Völlig verstört sprang sie auf und entfernte sich von Sebastiáns Lager. Es dauerte lange, bis sie wiederkam. Als sie an seine Seite zurückkehrte, war sie blass. Leichenblass.
    »Kennen Sie diesen Mann?«, fragte er besorgt.
    »Es wäre mir lieber, ich würde ihn nicht kennen«, antwortete Umina mit düsterer Miene. »Aber leider kenne ich ihn. Ich wusste nur nicht, dass Alonso Carvajal mit zweitem Familiennamen Acuña heißt. Er verwendet ihn nie.«
    »Und genau darin liegt der Schlüssel zu dem Ganzen. Laut der Schriften und Zeugnisse, die er in seinem Gepäck mit sich führt, stammt er von Diego de Acuña ab.«
    »Das erklärt einiges«, brachte Umina mit erstickter Stimme hervor.
    Der Ingenieur wünschte sich, dass sie weiterspräche, doch Umina fiel es schwer, über diese erschütternde Nachricht hinwegzukommen. Und es war auch unverkennbar, dass sie in Anwesenheit von Qaytu nicht darüber sprechen wollte. Sie wartete ab, bis Sebastián ausgetrunken hatte, und hielt dem Indio dann die Schüssel hin, damit er sie dem Koch zurückbrachte.
    »Wer ist dieser Carvajal?«, fragte Sebastián.
    »Alonso Carvajal besitzt in der Nähe von Cuzco eine Tuchmanufaktur.
La Providencia
. Sie hat den Jesuiten gehört, bis diese vertrieben wurden. Danach hat er sie gekauft, und die Probleme fingen an.«
    »Mit Ihnen?«
    Sie zögerte und wandte den Blick ab. »Und mit meiner Familie   … Er war es, der Qaytu die Zunge abgeschnitten hat, als er das Unrecht anklagte, das den Indios widerfuhr   … Und er hat sie ihm nicht nur abgeschnitten   …«
    |242| Sebastián spürte die heftigen Gefühle, die diese Erinnerungen bei der jungen Frau auslösten. Er wartete geduldig ab, bis sie in der

Weitere Kostenlose Bücher