R4ge Inside
hast, werde ich sie finden. Und ich werde zu dir kommen. Ich werde nicht aufgeben, egal, wie schwierig es auch sein mag.
Wenn er es ihr doch nur ein bisschen einfacher machen würde! Es wäre nicht schlecht, wenn er ein paar Feuerwerkskörper in die Luft jagen oder eine groÃe Neonreklame mit ihrem Namen drauf aufstellen würde.
Bis dahin würde sie weiter in Gedanken mit ihrem Bruder reden, was sie schon tat, seit das Ganze angefangen hatte. Bevor sie Michael und die anderen getroffen hatte, war Heath der Einzige gewesen, mit dem sie hatte sprechen können. Aus irgendeinem ihr nicht bekannten Grund fühlte sie sich dann sicherer und nicht mehr so allein. Wenn sie sich in Gedanken mit Heath unterhielt, war er noch am Leben.
Als sie den Campus erreicht hatten, versteckten sie die Fahrräder wieder in ein paar Büschen an der West Mall der Uni, neben dem Parkplatz. Sie wollten einige Gebäude am anderen Ende der StraÃe durchsuchen. Die Mädchen, die sie gestern gesehen hatten, waren in diese Richtung davongelaufen. Wenn sich irgendwo ein paar Leute verkrochen hatten, würden sie sie hier vielleicht finden können.
Als sie am Institut für Psychologie vorbeigingen, schaute Clementine nach oben zu den vielen Hundert Fenstern. Gestern hatten sie versucht, in das Gebäude zu gelangen, doch es war alles abgesperrt gewesen. Danach hatte Clementine das Institut auf der kleinen Karte, die sie bei sich hatten, ausgestrichen. Sie wollten sich jeden Tag einen anderen Teil des Campus vornehmen, sich notieren, welche Häuser sie abhaken konnten und welche sie sich noch einmal ansehen mussten.
»Glaubst du, sie beobachten uns gerade?«, flüsterte sie und sah sich verstohlen um.
»Vielleicht«, sagte Michael. »Vielleicht ist hier ja ein Psychologie-Experiment schiefgelaufen und im Augenblick starrt uns ein Mutant mit einem Dutzend Augen an.«
»Wutinfizierte Affen«, meinte sie, während sie die Hand auf den Mund presste, um ein Kichern zu unterdrücken.
»Aber du hast recht. Es wirkt wie eine Geisterstadt innerhalb einer Geisterstadt«, fuhr Michael fort. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich hier jemand versteckt. Was sollen sie essen? Und sieh dir den Abfall an, der gegen die Tür geweht wurde. Da ist schon eine ganze Weile niemand mehr rein- oder rausgegangen.« Er brach ab und lieà den Blick über die Fenster gleiten. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Karte. »Hat Aries nicht gesagt, dass es hier irgendwo einen FKK-Strand gibt? Vielleicht verstecken sie sich ja dort.«
»Das Ende der Welt«, sagte Clementine. »Da kann man schon mal alle Hüllen fallen lassen.«
»Genau.«
Was aber alles nichts daran änderte, dass sie das Gefühl hatten, beobachtet zu werden, als sie weitergingen. Clementine hielt das für ein gutes Zeichen: Die Hetzer würden sich nicht darauf beschränken. Sie würden ausschwärmen und sie töten. Wenn es irgendwo in den Häusern noch Leute gab, versteckten sie sich. Das machte sie zu ihren Verbündeten.
Sie gingen durch den Park auf die Main Mall zu, wo sich der Karte zufolge die Koerner-Bibliothek befand. Am Morgen hatten sie beschlossen, sich die Bibliothek als Nächstes vorzunehmen. Sie war ein groÃer Kasten mit mehreren Stockwerken und unzähligen Möglichkeiten, sich zu verbergen. AuÃerdem war sie in der Nähe einer Mensa. Ein naheliegendes Versteck.
Morgen wollten sie die Buchhandlung und das Gebäude des Studentenwerks durchsuchen â allerdings nur, wenn die Hetzer bis dahin damit fertig waren, es zu plündern.
»Vielleicht finden wir ja einen Supermarkt«, sagte Clementine, als sie einen Pappbecher im Rinnstein bemerkte. »Wir haben keinen Kaffee mehr. Ohne Kaffee bekomm ich immer so schlechte Laune.«
»Ich besorg dir welchen zu Weihnachten«, sagte Michael. »Und einen dieser Thermobecher, die ihn lange heià halten.«
»Ich vergesse es immer wieder«, sagte sie. »Weihnachten steht vor der Tür. Das hat mein Dad immer gesagt. Selbst im Juli. Komisch. Es fühlt sich gar nicht an wie Dezember.«
»Das liegt daran, dass wir keinen Schnee haben«, meinte Michael. »Früher hab ich immer geglaubt, dass überall in Kanada das ganze Jahr Schnee liegt. Dann bin ich hierhergekommen. Nur Regen. Jetzt sehe ich die Welt mit anderen Augen.«
Sie lachte. »Ich vermisse den Schnee. Und die vielen
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