Rabenblut drängt (German Edition)
der Anstrengung des Fluges, und seine Haare dufteten nach Wind und Blättern.
Moment mal!, dachte ich. Sollte ich nicht erst mal fragen ›Wie war dein Flug?‹, oder so ähnlich? Aber Alexej ließ mich nicht zu Wort kommen. Er drängte mich zum Bett, wo meine Nachttischlampe sein Gesicht in warmes Licht tauchte. Seine Lippen glänzten feucht.
Alexej schob mein T-Shirt hoch und fuhr mit der Zunge zärtlich über meinen Bauch. Seine Hände glitten flach über meinen Brustkorb bis zu meinem Hals hinauf.
»Warte!«, keuchte ich. »Ich muss dich etwas fragen!«
»Jetzt?«
»Auf jeden Fall jetzt!«
»Dann ... frag ... schon«, presste er mühsam durch die Zähne.
»Könntest du kurz deine Finger wegnehmen, ja? Sonst kann ich mich nicht konzentrieren.«
»Ausgeschlossen.«
Nun gut. »Aber nicht bewegen!«
Er grinste frech. »Du hast zehn Sekunden.«
»Weißt du überhaupt, was gestern Nacht hier passiert ist?«, fragte ich.
»Ja.« Seine Fingerspitzen umkreisten meine Brustwarzen.
»Halt! Das waren höchstens vier Sekunden!«
»Lange genug.«
»Willst du gar nicht darüber reden?«
»Nein.«
»Ich hab noch eine Frage!«
Er biss mir zärtlich ins Kinn.
»Hast du es unter Kontrolle, wenn du dich verwandelst? Oder besteht die Gefahr, dass ich plötzlich mit einem Raben hier liege?«
»Ja und nein.«
»Wie jetzt?«
Er stöhnte. »Ja - ich habe es unter Kontrolle, und nein, die Gefahr besteht nicht. Ich kann mich nicht verwandeln, wenn ich mich so menschlich fühle.«
»Und jetzt fühlst du dich männlich ... äh ... ich meine menschlich?«
»Ja«, knurrte er, und das war ein ganz und gar unmenschlicher Ton.
Menschenleben
I sabeau hatte sich auf die Seite gerollt und lag mit ihrem Kopf genau in meiner Armbeuge. Sie schlief nicht, aber ich ließ sie in dem Glauben, dass ich es von ihr annahm. Ihr Puls ging schnell, ihr Herz flatterte beinahe wie das einer Taube.
Die Lampe brannte nicht mehr, aber ich ertrug es trotzdem nicht, mich vom Anblick ihres Körpers zu lösen, solange noch ein wenig fahles Mondlicht in das Zimmer schien. Auf ihrer Schulter glitzerten feine, blonde Härchen. Sie versuchte ihren Atem gleichmäßig zu halten, aber es gelang ihr nicht. In jemandes Armen einzuschlafen bedurfte wirklich eine ganz besondere Art von Vertrauen, und dieses Vertrauen musste ich mir erst noch verdienen. Mein schlechtes Gewissen regte sich. Ich hatte sie überrumpelt, weil ich einfach völlig von ihr überwältigt war. Und viel zu begierig sie zu spüren. Für einen kurzen Moment schloss ich beschämt die Augen. Ich hatte mich wie ein Tier auf sie gestürzt und damit genau das bestätigt, was Nathalie mir so höhnisch an den Kopf geschleudert hatte.
Isabeau räkelte sich und streckte die Arme nach oben. Ich küsste zärtlich die weiche Haut auf der Innenseite ihres Oberarmes. Sie zuckte zusammen und kicherte. Dann erst öffnete sie die Augen. Mit dem Zeigefinger strich ich leicht über ihre Oberlippe.
»Das kitzelt!« Sie hielt meine Hand fest.
»Du bist nicht wütend auf mich?«
Sie runzelte die Stirn.
»Ich war ein wenig ungezügelt. Ich hoffe nicht, dass ich sogar rücksichtslos war.«
Ihr Hals verfärbte sich.
»Ich möchte nicht, dass du denkst, ich wäre immer so ... so ...«
»Hemmungslos?«, bot sie hilfreich an.
»Ja.«
»Kann es sein, dass du dir Sorgen machst, dass deine tierischen ... dein Instinkt mir dir durchgeht?«
Das genau war der Punkt. »Ich möchte nicht, dass du denkst, ich könnte mich nicht kontrollieren und würde mich bestialisch benehmen, nur weil ich ein Rabe bin. Du sollst mich nicht für irgendwie entartet halten.«
Dabei bin ich es! , dachte ich verzweifelt. Ich bin entartet!
»Entartet?« Jetzt lächelte sie nicht mehr. »Und wenn ich dir sage, dass es mir gefällt, wenn du genau so bist? Ich will überhaupt nicht, dass du dich immer beherrschst! Du bist doch wirklich ein Meister darin, deine Gefühle zu verbergen. Ich bin so froh, wenn du es einmal nicht tust!«, rief sie aus. »Ich habe geahnt, dass du so sein könntest. Ich habe geahnt, dass alles bisher nur die Hälfte von dem ist, was eigentlich geht! Und wenn du es genau wissen willst, ich habe dafür gebetet, dass es so sein würde! Dass du so bist!«
Gebetet?
»Bist du katholisch?«, fragte ich.
»Was? Wie kommst du denn jetzt da drauf?« Sie war völlig überrumpelt. »Äh ... nein.«
Ich hatte die Luft angehalten und sie sah mein Zögern.
»Ist das ein Problem für dich?«, fragte
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