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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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ja?«
    »Ehrlich gesagt findet er es sogar ziemlich ekelhaft.«
    »Ich bin nicht empfindlich.«
    Sie sagte es mit fester Stimme, aber ich konnte ihre Angst riechen und das Rauschen ihres Blutes hören. Auch ihre Hand zitterte.
    »Du musst es nicht. Ich wäre dir nicht böse, wenn du es dir lieber nicht antun möchtest.«
     »Aber es ist so ein wichtiger Teil von dir und ich möchte mich nicht davor drücken. Und wie sollte ich wissen -«, sie stockte, »- woher weiß ich, dass du mir vertraust?«
    Jetzt hatte sie mich wirklich am Kragen. Unmöglich, nun noch einen Rückzieher zu machen. Ich entzog ihr meine Hand und sprang dann leichtfüßig aus dem Bett, obwohl mir überhaupt nicht so leicht zumute war. Im Gegenteil. Bleierne Schwere steckte mir im Herzen, als ich die wenigen Meter bis zum Fenster ging und mit der Hand nach dem Riegel griff.
    Wäre es nicht besser, sie im Ungewissen zu lassen? Ich versuchte mich selbst davon zu überzeugen, wie unnötig das Ganze war. Aber ich belog mich damit.
    Isabeau hatte sich die Bettdecke um den Körper geschlungen, als ob sie fror. Vielleicht war es aber auch nur die Angst vor dem was sie gleich sehen würde, die sie frösteln ließ.
    Ich warf ihr einen letzten Blick zu, dann zog ich das Fenster auf. Die Morgenkälte warf sich mir wie eine Felswand entgegen. Aber gleich würde ich sie nicht mehr spüren. Mein Gefieder würde mich warm umschließen und mit der Witterung auf eine Art verbinden, die für mich völlig natürlich war.
    Ich versuchte, mich auf meinen Blutfluss zu konzentrieren und alle anderen Gedanken auszublenden. Isabeaus Herzschlag vibrierte in mir nach. Sie hielt die Luft an, und ich tat es ebenfalls.
    Dann verwandelte ich mich.

Rabenschwarz
     
     
     
    I ch schlang die Decke noch enger um meinen Körper und ließ Alexej dabei nicht aus den Augen. Er stand am geöffneten Fenster und schaute nach draußen. Sein warmer Atem blies Rauchwolken in die Morgenluft. Er sah so kraftvoll aus, sein Körper sehnig und durchtrainiert - wahrscheinlich durch die vielen Flugstunden, und seine Rückenmuskeln wölbten sich angespannt hervor.
    Ich ahnte, dass in seinem Inneren das Blut brodeln musste wie ein Geysir.
    Alexej warf mir einen Blick zu und lächelte beinahe entschuldigend. Ich hielt den Atem an.
    Er fing an zu zittern und krümmte sich wie unter Schmerzen zusammen. Wellenartig bewegten sich seine Muskeln. Ich blinzelte nicht einmal, so sehr war ich gefesselt von der Erschütterung seines Leibes. Sein Kopf beugte sich nach vorne, sein dunkles Haar schwärzte sich gänzlich und wie in Zeitlupe entwickelten sich blauschwarze Partikel heraus, die seinen Rücken hinabliefen. Der Kontrast zu seiner weißen Haut war einfach atemberaubend. Seine Haut schmolz unter diesen rabenschwarzen Fasern zusammen. Es sah so schmerzhaft aus, dass ich den Anblick kaum ertragen konnte und mir die Hand vor den Mund hielt, um nicht aufzuschreien.
    Wie unter einer Wehe krampfte er sich zusammen. Alles Weiße löste sich auf in einem stahlblauen Schimmer. Er stieß einen Schrei aus, der so ursprünglich war, so gequält und unmenschlich, dass ich in dem Augenblick dachte, so würde der Wald sein Leid hinausschreien, so würden Steine schreien. Es war, als gebar sich sein Rabenkörper selbst. Und als seine Töne in das Krächzen eines Raben übergingen, stürzte ich vom Bett hinunter zum Fenster. Im selben Moment breiteten sich seine Schwingen aus, und er flog davon. Ich wollte ihm nachrufen, aber meine Stimme war wie zerbrochen.
    Schon war er im Nebel verschwunden.
    Enttäuscht hielt ich mich am Fensterrahmen fest. Ich hätte ihm so gerne noch etwas gesagt. Dass ich - dass es überhaupt nicht ekelhaft war. Wenn ich nur wüsste, dass es ihm nicht wehtat, dann würde ich es sogar als schön empfinden. Es war schön! Diese glänzenden Federn, die aus seinen Haaren herauswuchsen, schimmerten wie Opale. Und in dem Moment, als sein Schrei ertönt war, hatte ich mir eingebildet, dass der Rabe zwischen seinen Schulterblättern den Kopf gehoben und den Schnabel weit aufgerissen hatte. Sicher war es nur eine Sinnestäuschung, weil sein Körper sich so verzerrte, aber ich hätte schwören können, dass es der Rabe war, der diesen Schrei ausgestoßen hatte.
    Ich schloss das Fenster, stand aber noch lange davor und starrte ins Zwielicht.
     
    Verträumt schlüpfte ich in frische Klamotten. Jeans, weißes T-Shirt und eine dunkelblaue Sweatshirtjacke. Die wenigen Meter bis zum Hauptgebäude trabte ich

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