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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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leichtfüßig und musste mich selbst ermahnen, nicht allzu selig zu lächeln.
    Ich war die Letzte am Frühstückstisch. »Guten Morgen«, flötete ich.
    Vier Augenpaare flogen in meine Richtung.
    »Guten Morgen«, sagte Lara, »Oje, du hast wohl die Nacht kein Auge zugemacht, was Süße?«
    »Wieso?«, quietschte ich erschrocken.
    »Du hast Augenringe so groß wie Lkw-Reifen.«
    »Ach so.«
    Laras Ohrringe klimperten, und Marek biss fröhlich in sein Brötchen. Ich stellte einen Topf Milch auf den Herd, wobei Michala mich eingehend musterte. Schnüffelte sie etwa? Sie sagte etwas auf Tschechisch und Lara begann plötzlich ebenfalls zu schnuppern.
    »Also ich rieche nichts«, sagte sie zu der Köchin. »Du etwa?« Sie stupste Marek von der Seite an, aber der hörte gar nicht zu und versank mit der Nasenspitze in seinem Tageshoroskop.
    »Michala sagt, etwas riecht hier komisch.«
    Ich rührte hektisch in dem Milchtopf herum.
    »Die brennt doch wohl nicht so schnell an«, sagte ich.
    Timo hob ungeniert den Arm hoch und hielt die Nase unter seine Achsel. »Also ich bin es nicht«, ließ er uns wissen.
    Ich goss die Milch in eine Tasse und mischte vier Löffel Kakaopulver darunter - vielleicht waren es auch fünf.
    »Hnh«, machte Lara nachdenklich. »Jetzt rieche ich auch etwas.«
    Mit der Tasse in der Hand setzte ich mich an das andere Ende des Tisches. So ein Blödsinn, als ob man riechen könnte, wenn jemand Sex gehabt hatte, dachte ich kopfschüttelnd.
    »Aber was ist es? Es riecht irgendwie süß und warm -«, Lara hielt inne und überlegte.
    »Vielleicht der Kakao?«, schlug ich hilfreich vor.
    »Wieso grinst du eigentlich so?«
    »Ich grinse doch gar nicht!« Ich zog eine Grimasse.
    »Hast du schon was von Alexej gehört?«, wollte sie auf einmal wissen.
    »Nein, noch nicht«, versuchte ich zu lügen und bekam spontan ein puterrotes Gesicht. Timo beugte sich zu mir herüber und fing ebenfalls an zu schnüffeln.
    »Ich glaube, den Geruch kenne ich.«
    Ich sprang von meinem Stuhl auf und wich vor ihm zurück. Waren denn jetzt alle verrückt geworden? Besser ich haute ab, bevor Timo einfiel, woher er diesen Geruch kannte. Wieso kannte er ihn überhaupt?  
    »Hast du eigentlich schon gepackt?«, fragte ich streng.
    »Willst du mich loswerden?«
    »Natürlich nicht. Aber du wolltest doch heute fahren.«
    »Erst gegen Mittag.« Er warf Michala einen Beifall heischenden Blick zu. »Nach dem Mittagessen.«
    Die Köchin lächelte und zeigte stolz ihre Zähne. Dabei dachte ich immer, sie verstünde kein Wort Deutsch.
    »Jetzt weiß ich es!«, rief Lara impulsiv aus.
    »Was weißt du?« Marek ließ seine Zeitung so weit heruntersinken, dass seine Nase herüberlugte.
    »Woher ich diesen Geruch -«, sie stockte, starrte mich an und ihre Augen weiteten sich auf Tellergröße.
    »Oh.«
    »Ich muss los!«, rief ich und knallte die Tasse auf den Tisch.
    »Moment mal!«, Laras Stimme überschlug sich fast.
    »Ich hab es wirklich eilig, Lara. Dein Mann hat mir ganz schön viel Arbeit aufgebrummt, und wenn ich nicht sofort anfange, kann ich meinen Zeitplan nicht einhalten.«
    Lara klappte ihren Mund zu. Ihre Augen verzogen sich zu kleinen Schlitzen, bevor sie sich bequem nach hinten lehnte. Sie sah mich an wie ein Luchs, der seine Beute anvisierte.
    »Timo, kommst du nach, wenn du fertig mit Packen bist?«
    Er grunzte, weil er schon wieder die Backen voll hatte, und ich hetzte nach draußen.
    Ich schlüpfte in meinen Parka, ließ ihn aber offen, weil ich spontane Hitzewallungen hatte. In der Eile, Laras Blicken zu entkommen, hatte ich auch noch meinen Rucksack liegen lassen. Ich hatte nichts dabei: weder Plastikbeutel noch Taschenmesser noch Handy. Na super! Nur die Vorstellung, Lara doch noch in die Hände zu fallen, hinderte mich daran, wieder umzudrehen. Sicher würde Timo den Rucksack im Flur stehen sehen und mitbringen.
    Ich hatte mit Alexej gar nicht mehr über das Feuer gesprochen, fiel mir ein. Ob sein Schwarm schon einen neuen Schlafplatz gefunden hatte? Ich wusste nicht, ob sie überhaupt hierher zurückkehren würden. Und Jaru, nein, Jaro fehlte mir schrecklich. Es war noch gar nicht so lange her, dass er seinen Bruder verloren hatte, und nun war er selbst dieser ständigen Bedrohung ausgesetzt.
    Mit diesen schweren Gedanken beladen lief ich durch den feuchten Nebeldunst, der mich nicht weiter als hundert Meter blicken ließ. So sah ich erst kurz bevor ich das verbrannte Waldstück erreichte, wie das Bild sich plötzlich

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