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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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günstig, dass ich nicht widerstehen konnte.
    »Ich glaube, Sie kannten meinen Vater«, ließ ich in leichtem Plauderton in den Raum fallen.
    »Nein, wie kommen Sie darauf?« Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Durch Zufall entdeckte ich gestern ein Foto von Ihnen. Es muss etwas über zwanzig Jahre alt sein. Nikolaus sieht Ihnen sehr ähnlich und so kam ich nicht umhin, es zu bemerken.«
    »Wirklich?«, fragte Niki spontan. »Davon hast du mir gar nichts erzählt, Papa! Was war das für ein Foto?«
    »Ein Gruppenfoto. Es zeigt einige junge Männer - soll ich sie Studenten nennen, was meinen Sie?« Ich wollte Wassilij gar nicht provozieren, aber seine vorgetäuschte Unwissenheit reizte mich.
    »Lassen Sie mich überlegen! Würde ich mich nicht daran erinnern, wenn mir ein Fürst vorgestellt worden wäre? Seltsam, dass ich mich nicht entsinne. Aber vielleicht war die Begegnung auch zu unbedeutend«, überlegte er laut.
    Das kam ohne Zweifel einer Beleidigung gleich.
    »Genauso unbedeutend wie die Festnahme durch die tschechoslowakische Staatssicherheit?«, fragte ich ihn mit gehobener Augenbraue. Nikolaus’ Augen flogen zwischen uns beiden hin und her.
    »Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Nein? Vielleicht kann ich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?«
    Viel zu angriffslustig! , warf ich mir im Stillen vor und rang mir mühsam ein Lächeln ab.
    »Haben Sie ihrem Sohn denn nie erzählt, was für ein Held Sie damals gewesen sind? Dass sie zu den Dissidenten gehörten, die gegen das kommunistische Regime gekämpft haben?«
    »Was soll dieses Gerede?« Wassilijs Stimme nahm eine unverkennbar feindselige Note an. Unter meiner Haut begann es zu prickeln.
    »Ihr Beitrag zur Bürgerrechtsbewegung war heroisch. Ihre Unterschrift unter der Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen gehört doch heutzutage eingerahmt!«
    »Halten Sie den Mund!«, ließ er sich hinreißen.
    Nikolaus’ Unterkiefer klappte herunter. »Krieg ich hier irgendwas nicht mit?« Er untersuchte sein Weinglas, als könne es ihm die Antwort liefern.
    »Du hast wirklich keine Ahnung, oder?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Kann mir mal jemand erklären, was hier eigentlich läuft?« Hilfesuchend wandte er sich an seinen Vater. Aber ich wartete dessen Reaktion nicht ab.
    »Ich möchte von Ihnen wissen, wen mein Vater sich damals zum Feind gemacht hat!«
    »Ich sagte Ihnen doch, ich weiß nicht, wovon Sie reden. Und jetzt verschwinden Sie!«
    »Ich denke nicht, dass es eine ungerechtfertigte Frage ist. Es gibt niemanden sonst, der sie mir beantworten könnte. Denn alle, die daran beteiligt waren, sind bereits tot. Alle außer Ihnen. Was also wissen Sie darüber?«
    »Gar nichts weiß ich!«
    »Und warum sind Sie damals als Einziger verhaftet worden? Haben Sie, was das betrifft, auch keine Ahnung? War es etwa Ihre Redaktion, die dazu benutzt wurde, diese Flugblätter zu verbreiten? Weshalb war mein Vater nicht im Gefängnis?« Meine Stimme wurde langsam lauter.  
    »Wieso nicht Milos Vater, oder Rabans? Oder Pavels? Und was ist mit Arweds Vater? Warum wurde keiner von ihnen verhaftet, frage ich Sie! Sie wurden alle angeklagt. Weshalb hat man nur Sie überführen können?« Ich hatte mich in Rage geredet, ganz entgegen meiner Vorsätze.
    Herr Sajenko bekam eine andere Gesichtsfarbe. Feine Schweißperlen liefen ihm über die Stirn. Der Geruch nach Adrenalin überlagerte jetzt sogar den Duft seines Aftershaves.
    »Das willst du wirklich wissen? Ich kann es dir genau sagen! Weil sie verdammt noch mal Raben waren! Alle! Diese Feiglinge haben sich einfach aus dem Staub gemacht. Wie viel ist diese Heldentat deines Vaters wert, frage ich dich! Wie viel ist sie wert, wenn es für ihn gar kein Risiko bedeutete? Als es hart auf hart kam, hat sich dieses Rabenpack einfach in Luft aufgelöst! Und du, du bist genauso ein Aasfresser wie sie!« Er brüllte fast.
    Nikolaus stand völlig fassungslos daneben.
    »Und deshalb hassen Sie uns?« Die Worte rutschten einfach so aus mir heraus. Und im selben Moment, in dem ich sie ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, was eine Antwort auf diese Frage bedeuten könnte.
    »Weißt du, was sie im Gefängnis mit mir gemacht haben? Hast du eine Ahnung was es für mich bedeutete, den Sozialisten ausgeliefert zu werden? Ich habe alles verloren dadurch! Du warst noch ein kleiner Junge, genauso wie mein Nikolaus. Während dein Vater wieder nach Hause kam, wurde ich inhaftiert. Und sie haben mich nicht auf Rosen

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