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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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Kopf. Woher wusste er das alles? Das gehörte doch wohl nicht zur Allgemeinbildung eines Tschechen, oder? Marek hatte mich tagelang darin unterwiesen, worauf ich achten musste, und trotzdem hatte ich noch manche Risse falsch beurteilt. Außerdem konnten die meisten Menschen, obwohl allein schon der Größenunterschied augenscheinlich war, noch nicht einmal eine Hirschkuh von einem Rehbock unterscheiden. Ich beobachtete, wie er sich neben das Tier kniete und mit den Händen beinahe zärtlich an dessen Wirbelsäule entlangfuhr.
    »Eigentlich ungewöhnlich, dass der Luchs hier, in der Nähe des anderen Risses, noch einmal zugeschlagen hat. Normalerweise wird das Jagdgebiet doch häufiger gewechselt, damit die Beute nicht zu vorsichtig wird«, überlegte er.
    Er hatte Blut an den Händen.
    Ich gab irgendwelche Worte der Zustimmung von mir und hörte seinen lauten Gedanken zu.
    »Würde man die Haut abziehen, könnte man die Kratzspuren deutlich erkennen«, murmelte er.
    Das stimmte. Aber wie konnte er das wissen?
    Alexej besah sich seine blutbefleckten Hände. Etwas schien ihn zu irritieren, denn er hielt sie ganz nah an sein Gesicht. Dann roch er daran, roch an dem Blut. Unwillkürlich lief mir ein Schauer über den Rücken. Es war ein so ungewöhnlicher Anblick: Er hielt die Hände ganz nah an seinen Mund. Es fehlte nicht viel und seine Lippen würden das Blut daran berühren. Mir wurde ganz komisch zumute.
    Alexej sprach kein Wort mehr. Er war so versunken, als wäre er sich meiner Anwesenheit gar nicht mehr bewusst. Es sah beinahe so aus, als wolle er sich das Blut von den Fingern lecken. Gänsehaut breitete sich über meine Arme aus, und es war nicht die Kälte, die das verursachte.
    »Alexej?«, fragte ich, aber er reagierte nicht.
    »Alexej?« Jetzt war es mehr ein Wimmern.
    Er erwachte er aus seiner Starre und streckte abrupt beide Hände von sich, als könne er es nicht länger ertragen, sie auch nur anzusehen.
    »Ich glaube, da hinten ist ein Bachlauf.« Nicht nur seine Stimme zitterte. Nein, ich hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper bebte.
    »Ich - ich muss mir die Hände waschen«, sagte er und stolperte unbeholfen davon.

 Namensfluch
     
     
     
     
    I ch strauchelte über eine der vielen Baumwurzeln und musste mich an einem Stamm abstützen. Mein Blick fiel auf meine blutbefleckten Hände, und ein schmerzhaftes Ziehen durchfuhr meine Eingeweide. Ich roch das Wasser. Es prickelte zartlila auf meiner Zunge und brachte meine Nasenflügel zum Beben. Endlich sah ich den Bachlauf. Der Stoff meiner Jeans sog sich voll, als ich mich auf die Knie warf. Hektisch tauchte ich meine Hände in die Strömung, um das Blut abzuwaschen. Nicht ein Tropfen durfte auf meiner Haut zurückbleiben.
    Ich war fassungslos, weil mein Rabenwesen sich so eigenmächtig an die Oberfläche gekämpft hatte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte ich diesem Trieb nachgegeben. Tief grub ich meine Hände in den schlammigen Bachgrund, scheuerte über die Kiesel, bis meine Finger schmerzhaft pochten. Erst dann hatte ich das Gefühl wieder normal atmen zu können. Was musste Isa von mir denken? Hatte sie bemerkt, wie sehr es mich danach gierte, von diesem Blut zu kosten? Wie sehr es mich drängte, meine Zähne in das aufgerissene, rohe Fleisch zu schlagen? Ich hatte das Flackern unter meinen Lidern gespürt, das Zittern, das meine Glieder immer dann befiel, wenn ich mich verwandelte. Und dieser Drang hatte gedroht, mich zu zerreißen.
    Ich formte meine Hände zu einem Kelch. In einem Schwall ließ ich das Wasser über mein Gesicht laufen. Es rann an meinem Hals hinab und sickerte in meinen Kragen. Aber die Kälte stumpfte meine Empfindungen nicht ab, sie hinterließ nur Spuren auf meiner Haut, die direkt zu verdampfen schienen. Ich atmete tief ein und aus. Nur langsam beruhigte sich mein Rabenblut und das Pochen meiner Halsschlagader verlangsamte sich.
    Mühsam stemmte ich mich hoch. Zu lange hatte ich in diesem feuchten Hang gekniet, und meine Beine zitterten. Es war nicht besonders angenehm, sogar als Mensch von seinen tierischen Trieben beherrscht zu werden. Weit entfernt entdeckte ich Isas khakifarbenen Parka. Sie hockte neben dem Rothirsch. Anscheinend untersuchte sie ihn schon eine geraume Weile, um zu entdecken, warum sein Anblick mich so außer Fassung gebracht hatte. Aber da gab es nichts zu entdecken.
    Sie entfaltete die Karte und notierte etwas darauf. Als sie aufblickte, verlangsamte ich unwillkürlich meinen Schritt,

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