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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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mich an und irgendetwas in meinem Blick ließ ihn aufspringen. Er kam zu mir und hielt mein Gesicht mit den Händen fest. Seine Augen glänzten wie ein dunkler See.
    »Du hast es auch gespürt, nicht wahr?«
    Ich nickte nur.
    »Ich wusste es! Ich wusste, dass du es auch spüren würdest!« Und dann flüsterte er. »Es ist für jeden anders. Tausende können es hören und empfinden doch nichts dabei, aber nicht du. Nein - du nicht!«
    Ich dachte mir müsste das Herz bersten, so glücklich sah er aus. Noch nie hatte ich ihn so euphorisch erlebt, so lebendig. Immer beherrschte er sich, war er voller Sorge, dass er etwas offenbaren könnte, das ihn angreifbar machte. Und jetzt war er geradezu jungenhaft ungestüm.
    Das war der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich ihn liebte.
    Auf seinem Gesicht lag noch dieses Lächeln. Ein Lächeln, das ich einfach erwidern musste. Ich legte meine Hand auf seine, spürte seine warme Haut, die von der Arbeit rau geworden war. Plötzlich veränderte sich seine Mimik: Das Lächeln verschwand und er ließ seine Hände sinken.
    »Los Alexej!«, rief Nikolaus. »Jetzt fängt der Spaß erst richtig an! Was spielen wir als Nächstes?«
    Alexej winkte ab. »Spiel du uns etwas vor!«
    »He, was ein Čech, das’ ein Musikus, oder nicht?«
    »Heute nicht mehr.«
    »Gut, du hast es so gewollt. Aber dann bestimme ich auch das Programm.«
    »Kannst du nicht etwas von Dvořák spielen? Oder wenigstens Smetana?«
    »Du bist ein Patriot!« Nikolaus schlug in gespieltem Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen. »Und dabei dachte ich immer, ein Patriot sei dasselbe wie ein Idiot!«
    »Was soll ich dazu sagen? Du bist Russe!« Alexej grinste. »Wäre ich ein Russe, würde ich das vielleicht auch denken -«
    Ohne Vorwarnung stürzte sich Nikolaus auf ihn. Alexej versuchte noch, sich vor seinem Freund in Sicherheit zu bringen, hatte aber keine Chance. Mit lautem Kampfgeheul wurde er von ihm zu Boden geworfen und begraben.
    »Das nimmst du zurück!«
    »N-nie - niemals!«, würgte Alexej hervor.
    »Oh doch, das wirst du!«
    Die beiden rangelten wie junge Wölfe.
    »He, die Party ist ja schon im vollen Gang«, ertönte es von der Tür. Lara und Marek hatten Janoschs Frau Martina im Schlepptau. Sie wuchteten einen Kasten Bier auf den Tisch.
    »Was wollt ihr denn feiern?«, fragte ich interessiert und übersah geflissentlich die beiden Männer, die sich am Boden wälzten.
    »Na ja, heute ist doch Montag, oder nicht?« Lara grinste und beobachtete fasziniert, wie Nikolaus sich rittlings auf Alexejs Bauch setzte und versuchte ihn zu quälen.
    »Außerdem ist heute Staatsfeiertag.«
    »Das ist natürlich ein Grund. Wie heißt das noch gleich? Tag der Freiheit?«
    » Tag des Kampfes für die Freiheit und Demokratie .«  
    »Wie passend«, sagte ich.
     Nikolaus ließ von seinem Freund ab.
    »Du solltest uns zur Feier des Tages noch etwas aus der russischen Schule vorspielen«, sagte Alexej atemlos, aber weiterhin angriffslustig.
    »Du hast wirklich eine rabenschwarze Seele, Alexander! Wie wäre es mit Brahms Ungarischem Tanz No.5?« Er wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern hob schnell seine Geige an und zog den Bogen geradezu schmerzhaft süß über die Saiten, bevor er mit Schwung darüberfegte. Neben mir stampfte Lara im Takt mit dem Fuß auf und klatschte begeistert. Vielleicht hatten Tschechen tatsächlich mehr Musik im Blut als Deutsche, zumindest mehr als ich, denn ich wäre nie auf die Idee gekommen zu tanzen. Doch genau das taten Janosch und Martina, wenn auch nicht besonders grazil. Als das Lied zu Ende war, spielte Nikolaus fast nahtlos weiter, diesmal einen Walzer.
    »Na komm, Isa!«, Marek stupste mich an. Panik machte sich in mir breit.
    »Oh nein.« Ich warf ihm einen flehenden Blick zu. »Tu mir das nicht an. Nein, tu dir das nicht an!«  
    »Stahlkappen«, sagte Marek knapp und bleckte die Zähne. Ich warf einen Blick nach unten und bemerkte, dass er noch immer seine derben Stiefel trug, die er zum Arbeiten anzog.
    »Und ich habe schon deinen Mut bewundert.«
    »Mutig ja, aber nicht lebensmüde!«, erwiderte er und zerrte mich in die Mitte des Raumes. Niemals zuvor war mir aufgefallen, wie elend lang so ein Walzer sein konnte. Noch bevor das Lied richtig verklungen war, hastete ich zum Tisch, klemmte mich dahinter und hielt mich an meiner Bierflasche fest. Marek lachte ebenso laut wie Janosch, der mich beobachtete.
    Natürlich konnte Alexej wunderbar tanzen! Hätte mich auch

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