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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Jetzt hatte er sich wieder ans Klavier gesetzt und spielte ein paar Takte.
    »Ich glaube, das kenne ich. Ist das nicht von Quarks & Co. ?« Im selben Moment, in dem ich die Frage ausgesprochen hatte, bereute ich sie zutiefst. Alexej legte fragend die Stirn in Falten und Nikolaus lachte herzhaft.
    »Quark was?«, fragte er.
    » Quarks & Co. , das ist eine Sendung bei uns im deutschen Fernsehen.«
    »Willst du damit sagen, sie haben aus den ›Sinfonischen Tänzen‹ von Rachmaninov ein Werbejingle gemacht?«
    »Nein, das ist so eine Wissenschaftssendung. Die ist wirklich gut -«, druckste ich herum.
    Alexej stand auf. Ob er jetzt beleidigt war? Ach, und wenn schon! Ich hatte nie vorgegeben, eine Musikkennerin zu sein.
    Lara übersetzte mir, dass Janosch seine Frau gerade anbettelte, ihr Akkordeon zu holen, damit sie auch etwas vorspielen konnte, und ich schloss mich dieser Bitte an.
    Sie spielte wohl so eine Art Volkslied. Jedenfalls sangen alle lauthals mit, mit Ausnahme von Nikolaus und mir.
    »Ich habe Alexej noch nie so fröhlich gesehen.«
    »Was daran liegen muss, dass er schon immer mehr Moll als Dur gewesen ist. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ehrlich gesagt nein.«
    »Wir unterscheiden in der Musik grob zwei Tonarten. Wenn das Fröhliche, Harte in Dur gespielt wird, so steht das Traurige, Weiche meist in Moll. Und genauso ist Alexej.«
    »Das hört sich an, als wäre er ziemlich melancholisch.«
    »Das schon. Aber es ist nicht allein die Tonart, die ein Musikstück traurig oder fröhlich erscheinen lässt. Und genauso verändern die Erfahrungen die man macht einen Menschen. Ich würde sagen, dass derjenige glücklich ist, dem das Glück widerfährt, egal auf welche Weise.«
    »Das hast du schön gesagt.«
    »Ja, aber meine Mutter hat auch immer gesagt: Erst der Ernst macht den Mann, erst der Fleiß das Genie . Demnach bin ich sowohl vom Mann als auch vom Genius noch himmelweit entfernt.« Er prostete mir zu. »Aber mir fällt noch ein anderes Sprichwort ein. Das ist von irgendeinem Chinesen: Je rauschender die Musik, desto melancholischer werden die Menschen, desto gefährlicher wird das Land, desto tiefer sinkt der Fürst - oder so ähnlich.«  
    Sollte das ein Zitat sein, das zu Alexej passte? Ich fand es merkwürdig, hatte aber keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn Nikolaus stand auf und leerte seine Bierflasche in einem Zug.
    »Dann wollen wir mal den Fürsten noch etwas tiefer sinken lassen!«

Grabesfrevel
     
     
     
    H eute Nacht war es so weit: Wir würden Pavel aus seinem Grab befreien und nach Hause bringen. Und ich würde mich endlich wieder in der Gestalt bewegen können, die mir zugedacht war. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass ich mich frei fühlen konnte. Frei davon, ob ich das Richtige sagte, oder sonst eine Geste vollzog, die für einen Menschen unpassend war.
    So viele Verhaltensweisen wurden einem diktiert. Ein Menschenleben war geradezu beschränkt in seiner Vielfältigkeit.
    Sicher war auch mein Schwarmleben von Regeln geprägt, sie dienten aber nur dem Zweck, unser Überleben zu sichern. Als Raben waren wir wirklich frei. Wir mussten keine Entscheidungen treffen, konnten allein unseren Instinkten folgen. Menschen waren dagegen bloß Sklaven, die sich als Herren aufspielten. Sklaven ihres Besitzes, ihrer Macht und ihrer Eitelkeit. Und solange uns niemand dazu zwang, unser selbstgewähltes Exil zu verlassen, solange würden wir als Schwarm weiterleben.
    Ich betete, dass all diese Vorkommnisse, der Angriff der Hunde, der Tod von Arweds Vater, nicht Teil eines Ganzen waren. Und gleichzeitig spürte ich die undefinierbare Gewissheit, dass es genau so war.
    Dabei hatte ich das alles schon einmal erlebt.
    Als ich meinen Vater das letzte Mal gesehen hatte, hatte er von meinem Erbe gesprochen, aber ich war zu jung gewesen, um den Sinn zu verstehen. Heute war mir klar, welches Erbe er gemeint hatte. Es war kein materielles Erbe, auch kein ideelles. Ich lachte verbittert auf: Es war ein Erbe des Blutes.
    Ob er damals schon gewusst hatte, dass ich auch so werden würde wie er? Ein Mischwesen, eine Missgeburt, wie Nikolaus’ Schwester Nathalie mich damals genannt hatte? Oder eine Fantasy-Gestalt, wie Isabeau es vielleicht nennen würde? Dieser Begriff beinhaltete wenigstens eine Spur von Romantik, dachte ich spöttisch. Aber ganz sicher würde es Isabeau nicht so verklärt sehen, wenn sie die Wahrheit kannte.
    Besser war es, nicht

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