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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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erregt.  
    »Weiß ich das?« Meine Stimme klang gelangweilt.
    »Willst du mich provozieren?«, fragte er statt einer Antwort.
    »Ich will wissen, was du in Erfahrung gebracht hast. Du warst in Prag und hast mit deiner Familie gesprochen. Und ich dachte, dass wir uns alle einig darüber waren, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    »Mein Vater wurde erst vor vier Wochen getötet! Nennst du das etwa Vergangenheit?« Er spie die Worte aus, wie ein verdorbenes Stück Fleisch.
    Ich nahm eine bedrohliche Haltung ein, plusterte mein Kopfgefieder auf und trat einen Schritt auf ihn zu.
    »Als du uns verlassen hast, lebte dein Vater noch, Arwed! Wenn du meinst, etwas verbergen zu müssen, etwas, das unseren ganzen Schwarm betrifft, dann werde ich das nicht akzeptieren. Warum bist du zu deiner Familie zurückgekehrt? Hast du schon vorher mit ihnen in Kontakt gestanden?«
    Er zog seinen Kopf ein. »Seit dem letzten Sommer. Ich habe meine Mutter in Prag getroffen und sie hat mir von den Drohungen erzählt.«
    »Was für Drohungen?«
    »Was weiß ich!«, krächzte er unbeherrscht. »Drohungen halt. Briefe, Anrufe. Jede Menge anonyme Anrufe! Es wurde nicht viel gesprochen. Ein Mann stöhnte in den Hörer und meine Mutter bekam Panik deswegen.«
    »Warum hast du uns das nicht gesagt?«
    »Ich dachte, das wäre nur irgendein Spinner. Ein Perverser, der gerne Frauen am Telefon erschreckt. Ich konnte doch nicht wissen, dass es ernst war.«
    »Vielleicht hätten wir deiner Familie helfen können?«
    »Wie denn?«, fragte er. »Gar nichts tun wir! Wir sitzen hier am Arsch der Welt und schauen zu, wie die Männer unserer Familie ausgerottet werden! Ist es nicht so?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir sind hier, weil wir unsere Angehörigen mit unserer Existenz nicht in Gefahr bringen wollten. Hast du das vergessen?«
    »Du scheinst vergessen zu haben, dass dieser Mob nicht vergisst! Alle Tschechen unter uns sind davon betroffen. Unsere Väter waren doch damals dabei. Alle stehen auf der Unterschriftenliste der Charta 77. Alle haben in ihren Anklageschriften drei Worte stehen: Subversion, Aufwiegelung und unerlaubtes Unternehmertum!«
    »Das ist lächerlich, Arwed! Das ist Jahrzehnte her, das ist doch kein Motiv. Wem nützt es? , müssen wir uns fragen. Wer profitiert davon, dass unsere Familien ihre Güter eben nicht zurück erhalten? Wer hat sie sich angeeignet, oder ist im Begriff es zu tun? Es kann nicht sein, dass wir verfolgt werden, weil unsere Väter Aufwiegler waren, gegen ein Regime, das heute so nicht mehr existent ist. Es muss um einen finanziellen Vorteil gehen. Es geht immer ums Geld.«  
    Arwed schien nicht überzeugt. »Ich habe keine Ahnung von Politik, sie interessiert mich auch nicht. Ich will nur in Frieden leben. Und ich will wissen, wer meinen Vater getötet hat. Ich muss es wissen.«
    Ich stupste ihn tröstend mit dem Schnabel an.
    »Wir werden es herausfinden. Aber wir müssen Nerven bewahren. Wir müssen überlegt handeln, nicht von Emotionen geleitet.«
    »Das sagst du so einfach! Manchmal glaube ich, du hast gar keine menschlichen Gefühle mehr! Hast du vergessen, wie viel einem der eigene Vater bedeutet?«
    Das war ein Vorwurf, der mich nicht unerheblich traf. Ich senkte meine Stimme, bevor ich antwortete, um meine Gefühle nicht zu offenbaren.
    »Das habe ich nicht vergessen. Aber es hilft uns nicht, wenn wir kopflos und wutgesteuert handeln. Man kann nicht gegen einen Feind anrennen, den man nicht kennt! Und man spielt auch nicht den Helden, nur weil man Angst vor der Schande hat.«
    Arwed senkte den Kopf. »Du hast recht. Das war dumm von mir. Bisher dachte ich, dass ich mich super unter Kontrolle habe.«
    »Das hast du auch. Und es ist ungerecht von mir, so viel Selbstbeherrschung von dir zu verlangen. Aber wir müssen an den Schwarm denken und daran, dass wir unsere Familien nicht damit in Verbindung bringen wollen. Das wäre eine Katastrophe für sie.«
    »Manchmal bin ich dieses Versteckspiel so leid.« Er schüttelte sich, als liefe ihm ein Schauer über den schwarzen Rücken. »Ich möchte bei ihnen sein. Aber gleichzeitig halte ich es nicht aus, zu lange in meinem menschlichen Körper gefangen zu sein.«
    Ich rückte näher an ihn heran, als plötzlich Sergius dazustieß und sich zwischen uns drängte.
    »Hey, was soll der ganze Frust?« Er schubste uns beide an und keckerte gutgelaunt.
    »Ich weiß gar nicht, warum ihr so unzufrieden seid. Gibt es was Besseres als dieses Leben?« Er plusterte sein

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