Rabenblut drängt (German Edition)
die Vögel fand, die ich suchte.
Wenn ich aber ehrlich zu mir war, musste ich mir eingestehen, dass ich es längst aufgegeben hatte, Spuren zu finden, die mich zu Alexej führen würden. Nachdem ich in näherer Umgebung meiner Hütte schon nichts hatte finden können, wie vielversprechend war dann eine Suche in den tieferen Regionen des Waldes? Anscheinend traf es tatsächlich zu, dass er niemals Spuren hinterließ. Deshalb konzentrierte ich mich allein auf die Kolkraben. Denn wie die Raben schien auch Alexej sich einfach in Luft aufgelöst zu haben.
Genau in diesem Augenblick hörte ich einen krähenden Schrei. Es raschelte und flatterte direkt hinter mir. Doch als ich mich umdrehte, konnte ich den Vogel, der das Geräusch verursacht haben musste, nicht ausmachen. Über mir lichteten sich die Kronen und ich musste mein Gesicht gegen die Sonne abschirmen. Ich schrie auf, als ein schwarzer Schatten an mir vorbeischoss. Ein Schatten, der krächzte, als hätte er sich genauso erschrocken wie ich. Der Vogel schwang sich hoch und landete auf einem Ast, um mich aus sicherer Höhe zu beobachten.
Ein Kolkrabe - endlich.
»Du weißt ja gar nicht, wie lange ich dich schon gesucht habe!«, sagte ich laut.
Das Tier schlug unruhig mit den Flügeln, und ich hielt den Atem an, weil ich ihn auf keinen Fall vertreiben wollte. Sein mächtiger Schnabel könnte es durchaus mit dem eines Steinadlers aufnehmen, dachte ich beeindruckt. Einen Moment schauten wir uns stumm an, dann hüpfte er den Zweig entlang. Er krächzte, und es klang wie ein freundschaftlicher Gruß.
»Hallo Freund«, grüßte ich zurück. »Du bist ja ganz alleine hier«, wunderte ich mich.
Dass ich laut sprach, schrieb ich meiner Nervosität zu. Lara würde sich kringeln vor Lachen, wenn sie mich so sähe.
»Du siehst ganz schön zerrupft aus. Hast wohl eine kleine Dürre hinter dir?«
Mit der Hand tastete ich nach meinem Frühstück. Das Papier knisterte, als ich das Brot herauszog und der Rabe flatterte aufgeregt. In aller Ruhe setzte ich mich im Schneidersitz auf das Laub und wickelte ganz langsam das Brot aus. Ich brach es in zwei Hälften und legte die eine Hälfte vor mir auf den Boden. Der Rabe hatte sich abgewandt. Das war bestimmt das Pokerface, von dem Marek gesprochen hatte. Eigentlich sehr schmeichelhaft für mich, weil es schließlich bedeutete, dass der Rabe mich nicht für völlig dämlich hielt. Er flog vom Baum herunter und landete mehrere Meter entfernt. Ich biss ein Stück von meinem Brot ab und kaute zufrieden.
»Mmh - lecker«, sagte ich, als ob der Rabe mich verstehen könnte.
»Du hast sicher auch nichts gegen ein Käsebrot einzuwenden, oder?«
Der Rabe hüpfte unbeholfen über den Boden. Er sah ulkig aus, mit seinem zerrupften Gefieder.
»Warum hast du dich so lange nicht blicken lassen? Sonst habt ihr mich doch ständig beobachtet - du und deine Freunde.« Ich biss noch ein Stück von meinem Brot ab.
Er wurde unruhig. Seine Augen flogen von mir zum Käsebrot und wieder zurück.
»Ob du dich traust, wenn ich mich jetzt wegdrehe?«, fragte ich. Er legte den Kopf schief, und ich hatte das Gefühl, dass er tatsächlich über das nachdachte, was ich sagte.
Ich tat, als würde ich hinter meinem Rücken etwas suchen. Ein kurzes Rascheln, ein Laut, der wie ein freudiger Rabenschrei klang, und das Brot war fort. Nur ein Ast wippte noch nach. Zu gern hätte ich gesehen, in welche Richtung er geflogen war. Trotzdem fühlte ich mich beschwingt und hochmotiviert, denn ich hatte einen Teilerfolg erzielt: Rabe gefunden! Ich nahm mir vor, am nächsten Tag erneut hierher zu kommen, und ihm etwas anderes zu Essen mitzubringen. Fleisch oder Pommes frites. Von Marek wusste ich, dass Rabenvögel nach fettigen Pommes geradezu verrückt waren, was sie mir sehr sympathisch machte.
Auf der Karte markierte ich die Stelle, an der ich den Raben getroffen hatte, und klopfte mir den Dreck von den Hosenbeinen. Auf meinem Rückweg warf ich hin und wieder einen Blick nach oben, aber der Rabe war verschwunden.
Zuhause stellte ich mein Fahrrad vor dem Schuppen ab und brachte die Kotprobe des Luchses in das kleine Labor neben Mareks Arbeitszimmer.
Aus dem Regal über dem Untersuchungstisch holte ich Mörser und Glasstäbchen heraus. Mit einer Pipette tröpfelte ich Natriumchloridlösung auf die Kotprobe. Ich fertigte ein zweites Präparat mit Lugol-Lösung an und notierte meine Ergebnisse in einem Untersuchungsheft.
Den Rest des Tages verbrachte ich am
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