Rabenblut drängt (German Edition)
zu weit waren.
Ihre Musterung brach aber sofort ab, als sie Nikolaus’ glückliche Stimme hörte.
»Mein lange verschollener Freund Alexej. Wird auch Zeit, dass du ihn mal kennenlernst.« Er drückte mich jovial und strahlte seine Frau an.
»Wann gibt’s was zu essen? Ich glaube, Alexej hat mächtig Hunger von seiner Reise.«
Katharina warf einen verärgerten Blick auf ihren Mann.
Großartig, so vorgestellt zu werden! Meine Blicke erdolchten Nikolaus von der anderen Seite. Irritiert schaute er zwischen uns beiden hin und her.
»Was ist los? Was habt ihr denn? Also ich könnte ein halbes Schwein auf Toast verdrücken.«
Anscheinend hatte er überhaupt keine Ahnung von Frauen.
»Verzeihen Sie diesen späten Überfall«, sagte ich entschuldigend, während ich ihre Hand schüttelte. »Ich möchte Ihnen keinesfalls zur Last fallen und Sie beim Essen stören.« Ich konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete, also tat ich einen Ausfallschritt nach vorne.
»Was hältst du davon, Niki, wenn ich morgen Vormittag wiederkomme? Dann kann sich deine Frau in Ruhe darauf vorbereiten.«
Ich gebe zu, es war unfair, ihr direkt so einen Todesstoß zu versetzen. Keine Ehefrau würde sich nachsagen lassen, sie wäre unvorbereitet.
Sie lächelte.
»Nein, bitte bleiben Sie. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mit uns essen. Es ist mehr als genug da.« Die letzten Worte kamen gepresst in die Richtung ihres Mannes.
»Sag ich doch.« Nikolaus grinste zufrieden, er streichelte seiner ältesten Tochter über das Haar.
»Du hast ja die gleichen Anziehsachen wie mein Papa«, sagte das Mädchen plötzlich.
»So’n Quatsch«, würgte Nikolaus hervor.
»Du hast gut aufgepasst«, erwiderte ich. »Das liegt daran, dass dein Vater und ich denselben Geschmack haben.« Ich schenkte Katharina ein Lächeln und sie errötete.
Nikolaus schnaufte.
»Genau wie früher. Du weißt immer, wie du es anstellen musst!«
»Pardon?«
»Ach vergiss es! Du kannst übrigens Katharina sagen. Und dieses Sie finde ich auch ziemlich überflüssig.«
»Mit Ihrer Erlaubnis?« Ich deutete eine leichte Verbeugung in Katharinas Richtung an.
»Und wo ist deine kleine Schwester?«, fragte ich Marina. »Ist sie noch im Stall bei den anderen Pferden?«
»Die sitzt auf dem Töpfchen. Die ist ja noch so ein Baby!«, empörte sie sich. Im selben Moment stieß Katharina einen entsetzten Schrei aus.
»Oh Gott, das habe ich total vergessen!«, rief sie und stürzte aus dem Zimmer.
»Da kann man nur hoffen, dass deine Mutter noch rechtzeitig kommt, nicht wahr?« Ich schmunzelte. Marina stemmte ihre kleinen Fäuste in die Hüfte und nickte ernst.
»Das gibt bestimmt wieder eine Riesenschweinerei!«
Ich wandte mich dem Tisch zu, auf dem sie eine ganze Pferdezucht aufgebaut hatte.
»Und welche Pferde gehören dir? Du musst mir alles erklären, weil ich von Pferden überhaupt keine Ahnung habe«, sagte ich. Marina runzelte die Stirn, als überlegte sie, wie ein Erwachsener über so wenig Verstand verfügen konnte. Dann erbarmte sie sich und erklärte mir haarklein, wie jedes Tier zu seinem Namen gekommen und wer mit wem verwandt war.
Etwa eine Stunde später bereute ich bereits, mich so unwissend gestellt zu haben. Marina ging ganz in ihrer Rolle als Lehrerin auf, fragte mich zum fünften Mal die Gangarten der Pferde ab und die Kommandos, die man geben musste.
»Es ist jetzt genug, Liebling. Lass unseren Gast einmal Luft holen, ja? Sonst kommt er nie wieder«, sagte Katharina. Marina brummte verärgert und nahm ihrer kleinen Schwester eines der Plastikpferde ab, auf dem sie genüsslich gekaut hatte.
»Wenn ich acht bin, kauft mir Opa ein eigenes Pferd«, erklärte sie. Karola jaulte auf und versuchte ihr das Tier wieder abzunehmen.
»Pferde sind sehr teuer«, sagte ihre Mutter. »Warum muss dein Opa dir nur so einen Floh ins Ohr setzen? Kannst du mir sagen, wo wir ein Pferd unterbringen sollen?«
»Opa hat genug Geld. Mein Opa ist reich!«, klärte sie mich auf.
Jetzt heulte Karola laut und zerrte an dem Pferd, doch Marina ließ nicht locker.
Ihre Mutter warf ihr einen drohenden Blick zu.
»Ich glaube es reicht jetzt. Zeit fürs Bett!« Sie stand auf und scheuchte die Mädchen aus dem Zimmer. Ich wagte kaum aufzuatmen.
»Wenn sie im Bett liegen, mach ich drei Kreuze«, sagte Nikolaus. »Aber ich bin verrückt nach ihnen«, fügte er hinzu. Das klang in meinen Ohren völlig logisch. Ich fand sie hinreißend.
»Sie gefallen mir sehr, du
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