Rabenblut drängt (German Edition)
mir absolut sicher, die Antwort zu kennen. Er musste es wissen. Unmöglich das nicht zu wissen. Vielleicht konnte man sein Schlagen hören, sein leichtes Pulsieren sogar unter der Haut fühlen.
Ich schüttelte den Kopf. Es war besser, nicht darüber nachzudenken, wie er sich anfühlte, wie warm seine Haut war - wie heiß sogar.
Aber Moment: Konnte das ein Grund für sein ständiges Fieber sein? War es möglich, dass da ein Zusammenhang bestand? Aus meinem Studium wusste ich, dass Hunde und Pferde eine Körpertemperatur hatten, die dem Menschen ähnlich bei bis zu 38,5 Grad liegen konnte. Katzen manchmal sogar bis zu 39 Grad, aber darüber hinaus musste man davon ausgehen, dass eine Infektion vorlag - beim Menschen sowieso. Wie also konnte es sein, dass Alexej sehr hohes Fieber hatte und dabei völlig leistungsfähig war? Er war ja schließlich kein Reptil. Und selbst Reptilien litten unter zu hohen Temperaturen, wenn sie sie auch überstehen konnten.
Gab es überhaupt Tiere, die höhere Temperaturen hatten als Säugetiere und denen das nichts ausmachte? Dann durchzuckte es mich plötzlich siedendheiß:
Vögel!
Vögel waren unter den gleichwarmen Tieren diejenigen, die die höchste Körpertemperatur hatten. Normalerweise um die 40 Grad, wenn nicht sogar bis zu 42. Genauso wie sein Rabe, wie Pavel, dachte ich verwirrt.
Aber ich hatte noch nie davon gehört, dass es möglich war, sich einem Tier, mit dem man zusammenlebte, körperlich anzupassen.
Ich sah auf die Küchenuhr. Sakra! Es war schon nach neun! Schnell goss ich heißes Wasser in die Thermoskanne und wickelte mir ein Käsebrot ein. Marek hatte alle Schlingenfallen mit einer Beobachtungskamera versehen, deshalb musste ich heute keine Fallen überprüfen. Trotzdem hatte ich einiges vor und packte Gefrierbeutel, Kompass und Karte ein. Außerdem hatte ich Marek versprechen müssen, nie wieder ohne Handy loszugehen.
Der Tag versprach schön zu werden, und weiße Schafherden bevölkerten den blauen Himmel. Noch gestern Abend hatte ich mir auf der Karte vier Routen zusammengestellt, die meine Arbeit mit meiner Suche nach Alexejs Spuren optimal verbinden würde. Ich trat kräftig in die Pedale und fuhr etwa eine Viertelstunde auf befestigten Wegen, bis ich die Stelle erreicht hatte, die ich als Ausgangspunkt markiert hatte. Ab da ging ich zu Fuß weiter. Als Erstes suchte ich nach dem mir bekannten Wechsel - ein ausgetretener Pfad, der von den Waldtieren häufig benutzt wurde. Meine Arbeit verlangte, dass ich nach Tritt- und Kotspuren Ausschau hielt. Meine Suche nach Alexej und den Kolkraben verlangte leider etwas anderes.
Der Kot der Vögel, die überwiegend Fleisch fressen, ist relativ dünnflüssig und findet sich in großen Klecksen meist unter Brut- und Schlafbäumen. Die Gewölle, die sie auswürgen, bestehen hauptsächlich aus unverdaulichen Nahrungsresten, wie Knochen, Haaren, Federn oder Chitinteilen.
Meinem Gewissen zuliebe konzentrierte ich mich aber zuerst auf die Suche nach Losungen von Säugetieren. Der Kot der Fleischfresser, wie unserer Luchse, ist meist walzenförmig und an einem Ende spitz ausgezogen. Wenn viele Schalenreste oder Kerne enthalten sind, zerfällt er leicht und lässt sich dann schwer zuordnen. Außerdem decken Katzen ihre Losung gerne mit Pflanzenmaterial zu, wenn sie nicht gerade ihre Reviergrenzen markieren möchten.
Anscheinend war ich aber gerade an einer solchen Reviergrenze angelangt: Vor mir auf einem abgestorbenen Baumrest prangte in gut sechzig Zentimeter Höhe eine lange Wurst. Welch ein Glück, dass wir Menschen andere Arten der Markierungen bevorzugten. Ein Grenzstein war doch allemal sympathischer.
Mit einem Klappmesser zerteilte ich den Kot, der noch weich und relativ frisch war. Ich füllte eine Probe davon in einen Frischhaltebeutel.
Mit einem lauten › djuck djuck ‹ flatterte eine Amsel dicht an meiner Nase vorbei. Sie landete vor meinen Füßen auf dem Waldboden, hackte und wühlte einen kurzen Moment, drehte sich im Halbkreis und schleuderte ein paar störende Blätter beiseite, bevor sie blitzartig mit dem Schnabel zustieß. Breitbeinig stemmte sie sich gegen den Boden, um einen dicken Regenwurm aus der Erde zu zerren. Ich schüttelte lachend den Kopf und der kleine Vogel brachte seine Beute schnell in Sicherheit.
Woher hatte er nur gewusst, dass gerade dort ein solches Prachtstück von Regenwurm steckte? So ein aufgewecktes kleines Kerlchen. Sicher hätte es mir sofort sagen können, wo ich
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