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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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herumkreist.«
    »Das muss am Alter liegen. Ich meine förmlich zu spüren, wie mein Denkvermögen nachlässt«, grollte ich.
    Jaros kleiner Körper zuckte rhythmisch und er wich meinem Blick aus.
    »Lachst du?«
    »Nein«, er zuckte noch heftiger und seine Augen glänzten. »Wirklich nicht. Ich frage mich nur, ob das der Platz ist, wo du jeden Morgen hinfliegst, seitdem wir aus Příbram zurück sind.«
    »Nein.«
    »Vielleicht leidet dein Kurzzeitgedächtnis ja ebenfalls an Altersschwäche.«
    »Vielleicht sollte dir mal jemand die Schwanzfedern langziehen?«  
    »Schon möglich. Also wer ist es, den ich beobachten soll? Diese Frau?«
    »Welche Frau?«
    Jaros stacheliges Federkleid wippte vor Empörung. »Ich bin jung aber nicht blöde. Soll ich sie beschatten?«
    »Nein!«, entfuhr es mir. »Auf keinen Fall. Ich möchte nur -« Meine Güte war das schwer. »Ich möchte wissen, ob sie da ist.«
    »Das verstehe ich nicht. Meinst du, ob es ihr gut geht, ob sie arbeitet, oder was?«
    »Nein, ich will nur wissen, ob sie da ist. Hier.«
    »Kapier ich echt nicht. Soll ich auf sie aufpassen? Meinst du, es könnte ihr was passieren?«
    »Das ist nicht zu erwarten, da niemand weiß, wo wir uns aufhalten. Niemand außer Nikolaus, und ihm vertraue ich blind.«
    »Und warum -«
    »Ich will nur wissen, ob sie da ist, verstanden?«, unterbrach ich ihn. Warum nur war ich so gereizt?
    »Aye, aye, Sir!« Jaro nickte steif.
    »Entschuldige - ich bin wohl ein wenig angespannt.«
    »Kein Problem. Aber eine Frage habe ich noch, was die Prioritäten angeht: Was mache ich, wenn Sergius verschwindet und ich ihm nicht folgen kann, ohne meine anderen Pflichten zu vernachlässigen. Wer steht an erster Stelle, wenn -«
    »Die Frau«, sagte ich knapp.
     
    Arwed flog zügig voran, sein Heimweh trieb ihn. Ich konnte nachvollziehen, warum es ihn zu seiner Familie zog, aber mich selbst zog es nicht nach Prag. Auch wenn es mir schwerfiel, das einzugestehen, das Gefühl der Freiheit, der Unabhängigkeit hatte sich nicht wieder eingestellt. Die Sehnsucht packte mich weiterhin mit Habichtskrallen. Und das missfiel mir.
    Hätte ich sie nicht längst vergessen sollen? Ein Kuss bedeutete doch gar nichts. Und trotzdem konnte ich ein leises Pochen in meiner Brust spüren. Ein warmes, sehr, sehr langsames Pochen dieses zähen, geronnenen Menschenbluts.  
    Ich schlug ebenso kräftig mit den Flügeln wie Arwed, sammelte meine Gedanken wie Nüsse ein. Ich dachte an den Kadaver des Huhns, den wir heute Morgen genüsslich ausgeweidet hatten. War dieses Verhalten etwa menschlich?
    In einem sanften Bogen glitt ich hinab, stieß ein › Kroak ‹ aus, um Arwed zu signalisieren, dass ich landen würde. Unter uns floss die Vltava , die Moldau. Ich steuerte einen Bach an, der sie speiste, und hüpfte an die steile Uferböschung. Das Wasser rann mir kalt und frisch durch die Kehle. Belebt zupfte ich mir das Gefieder zurecht.
    Arwed flog dicht über dem Bachlauf und ließ sich unerschrocken ins Wasser fallen. Mit einem lauten › Kraah ‹ tauchte er wieder auf, flatterte ans Ufer, schüttelte sich und plusterte sich auf.
    »Du bist wohl absolut schmerzfrei, was?« Ich lachte, als sein Schnabel klapperte und er ihn tief in seine Federn steckte, um sich zu wärmen.
    »H-hab nicht gedacht, dass es so kalt ist.« Kam es dumpf aus seinem Gefieder.  
    »Du bist feucht«, klärte ich ihn auf.
    Er griente. »Ich könnte jetzt ein paar richtig fettige Pommes vertragen. Mann, hab ich einen Kohldampf!«
    »Ich hätte auch nichts gegen die Hinterlende einer Hirschkuh einzuwenden«, bestätigte ich.
    »Mit Preiselbeeren«, stimmte Arwed zu.
    Ich warf Arwed einen skeptischen Blick zu. »Immer noch menschliche Gelüste?«
    »Du etwa nicht?«
    Ich überlegte einen Moment. »Nein, eigentlich nicht. Zumindest nicht diese .«  
    »Hä?« Irritiert reckte er den Hals vor.
    »Vergiss es. In letzter Zeit habe ich das Gefühl, die Vernetzung von meinem Gehirn zu meiner Zunge habe Störausfälle.«
    »Das hast du bisher immer gut verborgen. Jedenfalls habe ich von dir noch nie ein Wort gehört, das, sagen wir mal, nicht durchdacht gewesen wäre.«
    »Das erleichtert mich.«
    Arweds Augen zuckten. »Also mir macht das eher Angst.«
    »Es sollte dich beruhigen.«
    »Im Gegenteil. Wenn ich meine, ich wäre richtig clever und souverän, dann kommt garantiert eine Reaktion von dir, die -«, er suchte nach dem passenden Wort, »- die mich dazu bringt, mich wie ein Volltrottel zu fühlen. Du

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