Rabenbrüder
Poansatz bis zum Nabel geöffnet werden konnte. Wenn sich die Soldatinnen breitbeinig hinstellten, waren sie nicht mehr benachteiligt.«
Bedächtig fragte Paul: »Aber die Unterhose?«
»Entfällt natürlich. Immer findet ihr Typen ein Haar in der Suppe«, sagte Olga ärgerlich.
Paul verkniff es sich, auf den Kater anzuspielen, und begütigte: »Die Idee hat schon was, laß sie dir doch patentieren.« Gelegentlich staunte er über diese Frau, die wie ein Phönix aus der Asche ihrem zerwühlten Bett entstieg und in Windeseile adrett gekleidet und gut geschminkt das Haus verlassen konnte. Bei Olga war alles anders gelaufen als bei seinen sonstigen Bekannten. Der leibliche Vater war unbekannt, die Mutter arbeitete als Kassiererin beim Supermarkt. Als sie acht war, bekam Olga noch drei Geschwister. Sie war die Aufsteigerin in dieser Familie, hatte gegen den Willen ihrer Eltern Abitur gemacht und studiert. Schon früh hatte sie so viel Kraft entwickeln müssen, daß sie sicherlich mit allen Krisen fertig wurde.
Für Paul war die Affäre mit Olga zwar lustbetont, aber keineswegs eine Seelenfreundschaft, vielleicht sogar ein Fehler wie seine Heirat. Olga hatte sein Herz nicht im Sturm erobert, aber immerhin wie ein lauer Wind belebt. Es hatte bloß eine große Liebe in seinem Leben gegeben, nur wurde ihm das erst klar, als es zu spät war. Jene zehn Jahre ältere Frau war die einzige, die aufmerksam zuhörte, wenn er zu dozieren begann. Mit einem verlegenen Ausdruck, den er nie vergaß, hatte sie ihm eines Tages ihre Schwangerschaft mitgeteilt. Durch Pauls ungehaltene Reaktion kam es zum sofortigen Bruch. Wenn sie das Kind bekommen hätte, würde es jetzt wohl bald Abitur machen und möglicherweise von Olga unterrichtet werden. Bei späteren Beziehungen, auch bei Annette, hatte Paul sich gegen Kinder ausgesprochen, weil er dabei immer an seine frühere Geliebte denken mußte.
Olga war zwar ein ganz anderer Typ als seine Mama, aber sie neigte zu bräunlichen Sommersprossen, die ihn anrührten und an einen Leberfleck erinnerten, den er als kleiner Junge auf dem weißen Rücken seiner Mutter entdeckt hatte. Die unregelmäßig gezackte Form ließ verschiedene Deutungen zu: Seepferdchen, Stern, Feder oder Kleeblatt. Für Paul war es eine Blume, denn der würzige Duft einer französischen Nelkenseife haftete stets an Mutters warmer Haut. Seine Mama erklärte ihm, das sei ein Muttermal. Auch Achim neigte zu Pigmentveränderungen, die für Paul logischerweise Brudermal hießen. Es war eine Tatsache, daß Achim der schönen Mutter sehr ähnlich war, während Paul mit zunehmendem Alter leider mehr und mehr dem untersetzten, glatzköpfigen Vater glich.
Ein helles, warmes Haus
Nach ihrem Faulenzertag fühlte sich Annette keineswegs erholt und beschloß daher, die ärztlich empfohlenen Pillen auszuprobieren. Sie wirkten zwar nicht wie ein Zaubermittel, aber es gelang ihr immerhin, ihren langen Arbeitstag und den mürrischen Chef mit Anstand auszuhalten. Erst abends, als ihr Mann die übliche Verspätung anmeldete, kam sie wieder ins Grübeln.
Nach seinem Anruf verließ sie die Küche und setzte sich unverzüglich an Pauls Computer. Am Morgen hatte sich keine Gelegenheit ergeben, unbeobachtet seine E-Mails durchzulesen. Die letzte Mitteilung an Olga stammte von heute früh und lautete: Es muß unbedingt geklärt werden, ob die Police geändert wurde. Love: J. P.
Police? Versicherung? Lebensversicherung? Annette dachte fieberhaft nach. Sie hatte vor vielen Jahren, noch bevor sie Paul kannte, eine Lebensversicherung zugunsten einer Kusine abgeschlossen. Obwohl der Finanzberater ihr damals zugeredet hatte, wollte Annette nicht bloß Steuern sparen, sondern etwas Gutes tun. Ihre Kusine hatte schon früh ihren Mann verloren und mußte drei Kinder durchbringen. Vor einiger Zeit hatte Paul sie darauf aufmerksam gemacht, daß es eigentlich ausreiche, ihre Verwandte weiterhin mit einem monatlichen Scheck zu un-
terstützen. Es sei jetzt an der Zeit, die Versicherung auf seinen Namen umzuschreiben. Ganz klar, hatte sie gesagt, die Kusine könne an die zweite Stelle rücken, einem Ehemann gebühre immer der erste Platz. Aber ebenso wichtig sei auch der umgekehrte Fall. Offenbar hatte Paul aber keine Eile, seinerseits eine Lebensversicherung abzuschließen, so daß sie erst vor einigen Wochen ihr Versprechen wahrgemacht hatte; die Unterlagen befanden sich zur Zeit beim Steuerberater. Was ging das aber Olga an?
Männer sollen ja angeblich
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