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Rabenbrüder

Rabenbrüder

Titel: Rabenbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Seychellen irgendwelche Ruinen? Mißmutig warf er den Hochglanzprospekt in den Papierkorb.
    Auch Olga rief nicht etwa an, um ihn zu einem Versöhnungsessen einzuladen; Paul hörte schon nach drei brüsken Worten ihre Verstimmung heraus. Zufällig habe sie erfahren, daß er heute einen Termin mit Markus habe. Wehe, wenn er ihr in den Rücken falle, sie erwarte absolute Loyalität.
    Es hatte keinen Zweck mehr, Paul resignierte; bei Achim konnte man ja sehen, wohin das permanente Schwindeln führte. Er mußte jetzt reinen Tisch machen, sonst verlor er noch die letzten Menschen, die ihm nahestanden. »Olga«, sagte er, »es war wahrscheinlich ein Fehler, aber Markus ist mein guter Freund, ich konnte ihn nicht einfach abweisen. Da ich dir ja bereits empfohlen hatte, auf die Offenlegung seines Vermögens zu bestehen, darf ich deinen Mann fairerweise nicht im Regen stehenlassen. Ich werde ihm raten, seine Lebensversicherung nicht anzugeben und sie schleunigst auf die Polin umzuschreiben.«
    »Danke für die überfällige Aufklärung«, zischte Olga. »Selbst ich blöde Nuß habe inzwischen kapiert, daß du ein völlig unprofessioneller Doppelagent bist. Im übrigen warst du auch der lausigste Lover, der sich in den letzten Jahren bei mir eingeschleimt hat.« Sie legte auf.
    »Shit«, murmelte Paul fast erleichtert. Nach dem Tod des Vaters hatte er peinlicherweise ständig an Sex denken müssen, seitdem die Mutter nicht mehr lebte, war sein Verlangen seltsamerweise völlig erloschen. Aus diesem Grund traf es ihn nicht allzu hart, daß die Akte Olga so abrupt im Keller landete, und auf jeden Fall wurde das Fasten dadurch erleichtert.
    Auch der zweite Anruf an diesem Tag verhieß nichts Gutes: Ein Hauptkommissar aus Mainz erkundigte sich nach Achims Aufenthalt. Paul bedauerte, nicht weiterhelfen zu können, und fragte nach dem Grund der Recherche.
    »Bloß eine Zeugenaussage, reine Routine«, sagte der Polizist und hinterließ eine Telefonnummer.
    Trotz der bagatellisierenden Antwort war sich Paul ziemlich sicher, daß die Anfrage mit dem Mordfall Heiko Sommer zusammenhing. Vielleicht hatte man bei den laufenden Ermittlungen einen Hausschlüssel seines Elternhauses gefunden. Düstere Vorstellungen hielten ihn die nächste Stunde von aufmerksamer Arbeit ab, Stichwörter wie früh kindlich er Hirnschaden, pathologische Neigung zum Lügen, Spielsucht, Realitätsverlust, Körperverletzung mit Todesfolge, psychiatrisches Gutachten, Unterbringung in einer forensischen Klinik ließen ihn keinen klaren Gedanken fassen.
    Als Markus pünktlich in der Kanzlei erschien, lagen immer noch ungeöffnete Umschläge auf dem Tisch, der Kaffee in der Tasse war kalt geworden. Dafür hatte Paul die Büroklammern zu einer langen Kette verkrallt und sowohl den Bildschirm als auch Maus und Kabel mit Brillenputztüchern bearbeitet. Lange hatte er zugeschaut, wie man am gegenüberliegenden Haus eine Satellitenschüssel anbrachte, und dabei erwogen, ob er Markus im Zuge eines allgemeinen Säuberungsprozesses von seinem Verhältnis mit Olga in Kenntnis setzen sollte, sich aber dagegen entschieden.
    Doch Markus hatte nur ein zentrales Thema im Kopf und sprach erst einmal von beginnenden Vorwehen, die Krystyna seit gestern spürte. »Bald ist es soweit, Mensch, wer hätte das noch erwartet! Im übrigen glaube ich, daß Annette auch ganz gern ...«
    Paul stutzte ungläubig. Ob sie so etwas geäußert habe?
    Sein Freund wurde ein wenig verlegen. »Nicht direkt«, sagte er, »man konnte es ihr aber anmerken. Hattest du nicht Fragen zum Tod deiner Mutter? Vielleicht kann ich dir ja weiterhelfen.«
    Paul berichtete, daß er in Annettes Handtasche Schlaftabletten gefunden habe. »Woher sie das Zeug hat, weiß ich nicht. Aber ich hatte nach dem Unfall selbst eine genommen und war mit der Wirkung recht zufrieden. Also habe ich meiner Mutter die angebrochene Packung überlassen. Meinst du, sie könnte in der Badewanne ertrunken sein, weil sie vorher Tabletten schluckte?«
    Markus schüttelte den Kopf. »Die Pillen hat Annette von mir; sie sind absolut harmlos, damit kann sich niemand umbringen. Allerdings gibt es zuweilen den doppelt abgesicherten Suizid: Bevor sie sich aufhängen, streifen sie einen Plastiksack über ihren Kopf oder atmen bei geöffneten Pulsadern Auspuffgase ein. Wenn man also pfundweise Sedativa schluckt und sich dann ins heiße Wasser legt, könnte es bei einem labilen Kreislauf schon funktionieren.«
    »So kann es nicht gewesen sein«, sagte

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