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Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Titel: Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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sieht sie dort ein Bild. Je weiter sie ihre Arme hinein streckt, desto klarer, eindeutiger und länger wird die Vision, oft spricht die Große Mutter auch zu ihr. Das Feuer verletzt Kara nicht, aber es entzieht ihr bei jeder Berührung Kraft. Stände sie längere Zeit mit dem ganzen Körper in den Flammen, würde sie sterben.« Er machte eine kurze Pause. »Vor vielen Jahren ist eine Seherin bei der Zeremonie ums Leben gekommen. Sie war gezwungen worden, in das Feuer zu treten, um eine klare Aussage der Göttin zu erhalten, obwohl diese längst keine Antwort mehr zu geben bereit war.« Tomin bemerkte Ravens wachsende Besorgnis. »Keine Angst«, versicherte er ihm, »Theon achtet sehr gut auf das Wohl der Seherinnen.«
    Nur halbwegs beruhigt richtete Raven seine Aufmerksamkeit wieder auf Kara. Trotz der Schatten der vor ihr züngelnden Flammen und der Schminke, die sie heute aufgelegt hatte, erkannte er deutlich, dass sie blasser war als sonst.
    Kara schien seinen auf ihr ruhenden Blick zu spüren und sah zu ihm. Ihre Blicke trafen sich, und für den Bruchteil eines Moments verließ sie ihre Rolle als Seherin und lächelte ihm zu.
    Ein warmer Schauder lief Raven über den Rücken. Nicht weil die Auserwählte der Göttin ihm ein Lächeln schenkte, sondern die Frau, in die er sich verliebt hatte. Er stöhnte. Warum musste er Kara – und auch Tomin, Beron und Edna – ausgerechnet an dem einzigen Ort treffen, an dem er nicht bleiben konnte? Vielleicht sollte er ebenfalls seine Hand heben und genau diese Frage der Göttin stellen, dachte er bitter.
    Doch nun waren erst einmal andere an der Reihe, die Große Mutter um Antwort zu bitten. Ein Mann und eine Frau, die ungefähr Mitte zwanzig waren, traten vor das Flammenbecken und verneigten sich ehrfurchtsvoll, erst vor Kara, dann vor Theon. Der Tempelherr forderte den Mann, bei dem es sich der Kleidung nach um einen Bauern handeln musste, mit einer Handbewegung zum Sprechen auf.
    »Meine Frau und ich sind gekommen«, begann dieser stotternd in Karas Richtung, »weil sich bei meiner Frau keine Schwangerschaft einstellen will. Wir wollen wissen, ob ... ob das so bleibt.« Hoffnungsvoll sah er sie an.
    Kara nickte und streckte ohne zu Zögern ihre Hände ins Feuer. Die blaugrünen Flammen leckten an ihren Fingern und kurz darauf zog sie ihre Hände wieder zurück. »Ich sehe Weizenfelder, die hoch im Korn stehen«, erklärte sie, »und ich sehe euch beide, jeden mit einem Säugling im Arm.« Sie lächelte der Frau zu. »Du wirst Mutter von Zwillingen werden. Gedulde dich noch eine Weile, der Segen der Göttin ist dir gewiss.«
    Für einen Moment erweckte das Ehepaar den Anschein, als wolle es um das Becken laufen und Kara für diese frohe Botschaft umarmen. Der Anblick der Tempelwächter, die entlang der Mauern positioniert waren, hielt sie jedoch davon ab. Sie beschränkten sich auf eine tiefe Verbeugung und eilten strahlend an ihre Plätze zurück.
    Die Stelle der Bauersleute nahmen nun drei ältere Männer ein. »Wir kommen aus einem großen Dorf im Süden«, erklärten sie nach Theons Aufforderung. »Unser Dorfvorsteher, ein starker, rechtschaffener Mann, dem unsere Gemeinschaft viel verdankt, ist schwerkrank. Kann ein Opfer die Göttin gnädig stimmen, ihn wieder gesund werden zu lassen?«
    Kara hielt ihre Hände ins Feuer. Als sie sie wieder zurückzog, lag ein trauriger Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ich sehe Schnee, der einen Grabhügel bedeckt.« Sie schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, euer Dorfvorsteher wird den Winter nicht überleben – ein Opfer wäre nutzlos.«
    Der Mann, der gesprochen hatte, sah sie fassungslos an. »Das kann nicht sein!«, rief er. »Er hat den Tod nicht verdient. Hast du auch genau hingesehen?«
    Ein Raunen lief durch die Menge. Die Fähigkeiten der Seherin in Frage zu stellen, kam einem Frevel gleich! Bevor Theon etwas erwidern konnte, trat Kara einen Schritt näher an das Feuer, schob die weiten Ärmel ihres Gewands zurück und streckte beide Arme bis zum Ellenbogen in die Flammen. Die empörten Gespräche in der Halle erstarben und alle Blicke richteten sich nach vorne. Mit einem Mal kam Wind in der Halle auf, obwohl sämtliche Türen geschlossen waren, und ein Wispern ertönte in allen Ecken und Winkeln des Saales. Raven überkam eine Gänsehaut und er starrte auf Kara, die mit entrücktem Gesicht in das Feuer blickte.
    »Die Göttin spricht zu ihr«, erklärte Tomin.
    Raven nickte knapp. Welch ein Geschenk musste es sein, die Worte

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