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Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin

Titel: Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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Unfall eingebüßt zu haben. Was, wenn es gar kein Unfall gewesen war? Immer wieder gab es Angriffe aus Sarwen auf die Bauerndörfer, die im Grenzgebiet von Torain lagen. Möglicherweise war Raven verheiratet gewesen und hatte bei einem solchen Überfall nicht nur seine körperliche Unversehrtheit verloren, sondern auch eine Frau? Das würde erklären, warum er manchmal so betrübt aussah. Er suchte – wie so viele – das Vergessen im Dienst für die Göttin. Ihre Zuneigung wäre in diesem Fall dann das Letzte, was er brauchte.
    Die Tür ihres Zimmers öffnete sich und zwei weißgewandete Tempeldienerinnen traten ein. Die Zeit des Bades war vorüber, und die beiden Frauen würden ihr bei den weiteren Vorbereitungen helfen. Bedauernd erhob sich Kara aus dem warmen Wasser und griff nach der Hand, die ihr die jüngere der Dienerinnen reichte.
    Kaum war sie aus dem Zuber gestiegen, trockneten die Frauen sie ab und salbten ihren Körper mit einem wertvollen, nach Myrrhe riechenden Balsam ein. Sie liebte den würzig-süßen Duft des Salböls, aber auch er brachte es nicht fertig, Raven aus ihrem Kopf zu vertreiben.
    Wie sollte es ihr gelingen, offen für die Stimme der Göttin zu werden, wenn er all ihr Denken beherrschte? Die einzige Stimme, die sie sehnlichst zu hören wünschte, war die seine! Erschrocken über diesen frevlerischen Gedanken fuhr Kara zusammen, und die beiden Tempeldienerinnen sahen sie verwundert an. Eilig stieg sie in das kostbare weiße Gewand der Seherin, das eine der Frauen ihr hinhielt. Leider änderte das nichts an der Wahrheit: Sie würde alles dafür geben, Raven nur ein einziges Mal ihren Namen aussprechen zu hören. Mit Sicherheit war seine Stimme früher warm und dunkel gewesen, aber das würde sie nie erfahren. Ein schrecklicher Schicksalsschlag hatte ihn seiner Sprache beraubt und er war für alle Ewigkeit zum Schweigen verdammt.
    Kara griff nach dem Amulett, das die jüngere Dienerin ihr reichte. Die handtellergroße Scheibe aus Bronze war an einem Lederband befestigt und zeichnete sie als Seherin des Tempels aus. Das Schmuckstück war hunderte von Jahren alt und beidseitig mit heiligen Bildern verziert. Normalerweise trug Kara den Anhänger geschützt unter ihrem Gewand, doch heute musste er für alle sichtbar sein. Rasch hängte sie die Bronzescheibe um ihren Hals. Das dunkle Amulett hob sich deutlich gegen das Weiß ihres Kleides ab. Die auf der vorderen Seite eingravierten Flammen mit der Frauenhand waren trotz des glänzenden Untergrundes gut erkennbar.
    Die zweite Dienerin hielt inzwischen Schminke, einen Kamm und Haarnadeln in ihrer Hand und Kara ließ sich auf einem Stuhl nieder. Sofort begann die Frau ihr Haar zu bearbeiten, was bei ihrer Lockenpracht kein leichtes Unterfangen war. Kara stöhnte leise, und sie stöhnte erneut, als die andere Dienerin einen Teller mit Essen vor ihr auf einen Tisch stellte. Ihr Magen war wie zugesperrt, aber sie wusste, die beiden Frauen würde sie nicht eher aus dem Zimmer lassen, bis nicht auch der letzte Krümel verschwunden war. Wie schön wäre es, wenn Raven hier wäre und ihr wieder Türmchen aus Brot und Käse bauen würde.
    Prompt wurde Kara wütend über sich selbst. Konnte sie nicht einen Moment nicht an ihn denken? Wie sollte das nachher bei der Befragung des Feuers werden, bei der er auch zugegen sein würde? Obwohl sie auf seine Anwesenheit bestanden hatte, war sie plötzlich verunsichert. Andererseits würde er sie in dem wundervollen Kleid sehen und vielleicht ...
    Schluss jetzt!, befahl sie sich. Da Raven sich als Knecht geschickt anstellte, würde Theon ihn trotz anfänglicher Bedenken sicher in den Tempeldienst aufnehmen. Damit blieb ihr alle Zeit der Welt, über ihn nachzudenken. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Die Vorstellung, Raven könnte für immer im Tempel leben, war herrlich. Mit einem Mal freute sie sich auf die kommende Zeremonie. Sie würde ihm beweisen, dass sie eine gute Seherin war – wenn sie ihm schon nicht hatte sagen können, wer ihn niedergeschlagen hatte. Und heute Abend würde sie wieder neben Raven im Speisesaal sitzen und das Zusammensein mit ihm genießen.
    Erleichtert über diese schönen Aussichten atmete Kara auf und spürte, wie ihr Körper und ihr Geist zur Ruhe kamen. Jetzt war sie endlich bereit für die Göttin.
    Raven stand vor der Speisehalle und beobachtete staunend die Reisenden, die einzeln oder in Gruppen auf den Eingang des Tempels zuströmten. Kinder waren dabei sowie Alte, die

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