Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
seine Mutter auf die Wange und Kara auf den Mund, woraufhin seine Ehefrau mit leuchtenden Augen zu ihm aufsah. Selbst, wenn er wie heute nur wenige Stunden fort gewesen war, strahlte sie jedes Mal bei seiner Rückkehr – und ihm erging es nicht anders. Kara war ein Geschenk und das Kostbarste, was er besaß.
»Wie geht es im Grubendorf und im Bergwerk voran?«, erkundigte Kara sich und klopfte ihm mit der Hand einige Staubflecken von der Hose.
»Sehr gut. Mit der Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen in den Minen und mit den Renovierungen der Arbeiterhütten kommen wir schneller vorwärts als gedacht.« Zufrieden nickte er. »Die Stollen werden bald bedeutend einsturzsicherer sein. Inzwischen scheint sich unser Vorhaben auch im Land herumgesprochen zu haben, ebenso wie die bessere Entlohnung der Bergarbeiter. Viele Männer kommen mit ihren Familien, um nach Arbeit in den Silberminen anzufragen. Und wie es aussieht, können wir jede zusätzliche Hand gebrauchen.« Er zog einen dunkelgrauen Gesteinsbrocken aus seiner Tasche und reichte ihn ihr. »Wir haben eine neue, vielversprechende Ader gefunden.«
»Das ist ja wunderbar.« Kara stand auf und gab ihm das Silber zurück. »Du bist ein wunderbarer Herrscher, Raven. Deine Untertanen könnten kein größeres Glück haben, als dich zum Fürsten zu haben – das gilt auch für mich.«
Argwöhnisch zog er die Brauen zusammen. »Wenn du diesen salbungsvollen Ton anschlägst, meine geliebte Frau, dann stimmt etwas nicht, oder?« Er trat zu ihr, fuhr mit der Hand durch ihr lockiges Haar und strich genussvoll an der Seite ihrer Hüfte entlang. »Nicht, dass ich in letzter Zeit Grund zum Klagen gehabt hätte«, raunte er ihr ins Ohr.
Kara lachte. »Doch, ich meine es ernst! Dein Verantwortungsbewusstsein ist absolut vorbildlich.« Dann wurde ihre Stimme ernst. »Aber du hast recht. Es ist etwas vorgefallen: Jorin ist fort. Als er heute Morgen nicht zum Frühstück kam, bin ich in sein Zimmer gegangen – sein Bett war unberührt. Wir haben ihn überall gesucht, jedoch nirgends gefunden.«
Betroffen sah er sie an. »Jorin hat gesagt, er würde eines Tages gehen. Aber ohne Abschied?«
»Ich hätte ihm auch gerne Lebewohl gesagt«, erwiderte sie und strich tröstend über seinen Arm. »Vielleicht hat die Göttin einen dringenden Auftrag für ihn, der keinen Aufschub duldet?« Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihren Mund. »Ich bin sicher, wir sehen ihn eines Tages wieder.«
Ehe er nachfragen konnte, was sie damit meinte, wechselte Kara das Thema. »Amartus war am Mittag da, er hat eine Bitte an dich.« Sie nahm seine Hand und führte ihn in einen der Ställe.
Überrascht entdeckte Raven dort in einem großen Weidenkorb einen jungen Raben, dessen Rumpf mit weißen Bandagen umwickelt war.
»Der Hüter hat den Vogel im Wald gefunden. Sein Flügel ist gebrochen. Amartus fragte, ob wir den kleinen Kerl gesund pflegen würden.«
»Selbstverständlich!« Seine Laune, die sich durch Jorins Verschwinden getrübt hatte, hellte sich auf. »Ich würde gerne wieder einen Raben besitzen.«
Zu seiner Verwunderung schüttelte Kara entschieden den Kopf. »Du brauchst keinen Raben mehr, Raven, genauso wenig wie du Jorins Beistand noch benötigst. Das hast du in den zurückliegenden Monaten eindrucksvoll bewiesen. Aber ich könnte mir vorstellen, wer den Raben bestimmt gerne zum Freund hätte.«
Als er fragend die Augenbrauen hob, nahm sie seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. »Dein Sohn.«
»Woher ...?«
»Ich mag keine Seherin mehr sein, aber ich bin eine Frau, die spürt, was ihr Körper ihr sagt.«
»Ich werde Vater?« Vor Ergriffenheit war Raven kaum fähig zu sprechen. Kara nickte und er umarmte sie vorsichtig, um dem Ungeborenen in ihrem Leib keinen Schaden zuzufügen. Sein Kind! Unbändige Freude und tiefe Befriedigung durchströmten ihn, die nur von seiner Liebe zu Kara noch übertroffen wurden.
Stumm richtete er ein Dankgebet an die Göttin. In seinem Leben hatte es viele dunkle Momente gegeben, aber die Große Mutter schien bestrebt, ihn für jeden einzelnen davon tausendfach zu entschädigen.
»Es gibt nur ein Wort, das ausdrückt, was ich gerade fühle«, flüsterte er atemlos.
Kara strich mit den Fingern an seinem Gesicht entlang. »So geht es mir immer, wenn ich mit dir zusammen bin, Raven«, erwiderte sie lächelnd. »Überglücklich.«
ENDE
© Silke Busch / Bildschöpfung
Dana Graham, Jahrgang 1975, studierte Pädagogik und unterrichtet an Grund-
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