Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
mit den Schultern. Die Gründe des Herrschers gingen ihn nichts an. Viel mehr interessierte es ihn, ob Heron ihn auf diese Reise mitnehmen würde. Das würde er ihn fragen, sobald er seine Erkenntnisse über den Tempel vorgetragen hatte und zum Krieger ernannt worden war.
Als Raven das Burgtor passierte, wuchs seine Verwunderung. Ein Dutzend Planwagen standen dort und Knechte luden Töpfe, Bierfässer und Essensvorräte auf. Aus der Schmiede erklangen lautes Hämmern und das Klirren von Metall. Mehrere Schmiede arbeiteten dort gleichzeitig an Esse und Amboss, zwei weitere beschlugen Pferde. In einem der Nebengebäude verteilten Männer Helme, Schilder und Waffen an Krieger.
Was ging hier vor sich? Das Ganze wirkte nicht mehr wie die Vorbereitung einer harmlosen Rundreise. Raven erschrak. Drohte Sarwen Krieg? Doch sofort entspannte er sich wieder. Auf seiner Reise hierher hatte er keine Gerüchte über feindliche Angriffe gehört. Er rutschte aus dem Sattel und drückte die Zügel einem vorbeilaufenden Stallburschen in die Hand. Unauffällig lockerte er seine Beine, um nach dem langen Ritt nicht zu sehr humpeln zu müssen, dann straffte er den Rücken und ging auf das Eingangsportal des Herrschaftshauses zu.
Nach einem skeptischen Blick ließ der davorstehende Wachmann ihn eintreten und Raven sah sich um. An der Tafel in der Mitte der Halle stand Heron, zusammen mit Menwin und seinen Beratern. Die Männer blickten auf eine Landkarte, die vor ihnen auf dem Tisch lag. Er räusperte sich, und der Fürst und die anderen hoben den Kopf. Rasch verbeugte sich Raven und wartete darauf, vom Herrscher angesprochen zu werden.
»Du bist zurück vom Tempel des sprechenden Feuers?« Die Überraschung, die in Herons Stimme lag, war nicht zu überhören. Scheinbar hatte er an ihm gezweifelt, erkannte Raven, und freute sich umso mehr, brauchbare Auskünfte liefern zu können.
»Ja, Herr«, erwiderte er fest. »Ich habe mich gründlich in der Tempelanlage umgesehen. Keiner von Yldas Kriegern versteckt sich dort. Ganz im Gegenteil«, fuhr er eifrig fort, »der Tempel ist kaum gesichert und die dort lebenden Wachen stellen keine Gefahr für Euch und Sarwen dar.«
Heron strich sich über das Kinn. »Ausgezeichnete Arbeit, Raven«, erklärte er und betrachtete ihn nachdenklich.
Ungeduldig wartete Raven, dass der Fürst weitersprach. Laut seines Versprechens sollte er ihn nun zum Krieger ernennen. Das hatte Heron hoffentlich nicht vergessen. Er runzelte die Stirn. Stand es ihm im Zweifelsfall zu, den Herrscher daran zu erinnern?
In diesem Moment öffnete der Fürst den Mund und Ravens Herz begann aufgeregt zu klopfen. »Mit deinen Diensten bin ich sehr zufrieden«, erklärte Heron, »doch ich werde sie ein weiteres Mal prüfen. Erfüllst du auch dieses Mal meine Erwartungen, bekommst du von mir den silbernen Reif umgelegt.«
Mühsam schluckte Raven seine Enttäuschung hinunter. Noch eine Bewährungsprobe? Er ignorierte Menwins schadensfrohes Grinsen und nickte. Wenn er wirklich Krieger werden wollte, hatte er ohnehin keine andere Wahl. »Was soll ich für Euch tun, Herr?«
»Mich begleiten.«
Seine Stimmung hellte sich wieder auf. Heron wollte ihn tatsächlich mitnehmen! »Sehr gerne begleite ich Euch auf Eurer Reise«, erwiderte er erfreut.
Heron lächelte kalt. »Es wird keine Reise, Raven. Wir gehen auf einen Feldzug. Und du wirst an meiner Seite reiten, denn du wirst mein Führer sein.«
»Ein Feldzug ... und ich Euer Führer?«, wiederholte er ungläubig. Das musste ein Scherz sein, denn außer im Bergwerk kannte er sich nirgends gut aus. »Wo ... wo soll es denn hingehen?«
»An einen Ort, der dir nach eigenen Angaben sehr vertraut ist.« Belustigt über Ravens Verblüffung hob Heron eine Augenbraue. »Wir nehmen den Tempel ein. Da Ylda mich nicht freiwillig auf ihr Land lässt, werde ich mir die Auskünfte, die ich vom Tempelherrn brauche, mit Gewalt holen. Lass dir Waffenrock, Helm und Schwert geben – morgen bei Sonnenaufgang brechen wir auf.«
Raven fühlte sich, als habe ihm jemand die Faust in den Magen geschlagen. Heron wollte den Tempel überfallen – und würde dazu sein Wissen nutzen. Durch das Auspionieren des Tempels und seinen Bericht an den Fürsten hatte er geglaubt, die Bewohner der Anlage schützen zu können, in Wahrheit hatte er sie an den Herrn der Sarwen ausgeliefert. Wie betäubt neigte er den Kopf vor Heron und ging nach draußen.
Der Herrscher hatte von Anfang an beabsichtigt, den Tempel
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