Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Einzige, die er vielleicht in Sicherheit bringen konnte, war Kara – wenn er Heron klar machte, dass die Seherin ihre Jungfräulichkeit unbedingt behalten musste.
Eilig schloss er zu dem Fürsten auf, der bereits am Treppenabsatz angekommen war. »Herr«, raunte er ihm zu, »ich muss dringend mit Euch reden.«
Genervt wandte Heron den Kopf zu ihm. »Nicht jetzt, Raven!«, erwiderte er. »Ich muss mir den Tempelherrn vornehmen. Deine Angelegenheit klären wir später.«
Verdammt! Heron glaubte, es ginge ihm um die Ernennung zum Krieger. »Nein, Herr«, widersprach er hastig, »darum geht ...«
»Ich weiß, was du willst, Raven. Darüber sprechen wir, sobald wir zurück in Sarwen ...« Heron hielt inne und plötzlich erschien ein wissendes Lächeln auf seinem Gesicht. »Ach, jetzt verstehe ich! Du sorgst dich nicht um deinen Silberreif, sondern um deine Kriegsbeute .« Er machte eine weitläufige Handbewegung zu den Frauen des Tempels, die vor ihnen standen. »Such dir eine aus und verschwinde die nächsten Stunden aus meinen Augen.«
Raven erstarrte. Heron hatte laut gesprochen und alle in der Vorhalle hatten seine Worte gehört. Nun musste er eine Frau nehmen, wenn er nicht sein Gesicht verlieren wollte. Langsam wandte er sich zu den Tempelbewohnerinnen um – und sah Kara sofort.
Die junge Seherin stand in der vordersten Reihe. Der Wind spielte mit ihren roten Locken und trotz der Angst, die sie mit Sicherheit verspürte, war ihre Haltung aufrecht und ihr Kopf selbstbewusst gehoben.
Bei ihrem Anblick überlief Raven ein warmer Schauder. Schlagartig wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermisst hatte. Jetzt musste er sich konzentrieren, um keinen Fehler zu begehen. Er trat einen Schritt nach vorne und blickte hin und her, als ob er eine Auswahl unter den Frauen treffen würde, obwohl seine Entscheidung längst gefallen war: Kara war es, die er wollte.
Entschlossen ging er auf sie zu und ignorierte dabei Edna und Xalva, die in der Nähe der jungen Seherin standen und ihn voller Abscheu ansahen. Könnten Blicke töten, läge er längst am Boden. Dabei würde er Kara niemals Gewalt antun, er wollte sie mitnehmen, um sie genau vor diesem Los zu bewahren.
Vor Kara, die ihn mit versteinerter Miene anstarrte, blieb er stehen und wies mit der Hand auf sie. »Du kommst mit mir!«, befahl er barsch.
Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen, und es dauerte einen Moment, bis er den Grund dafür begriff. Er hatte gerade zum ersten Mal mit ihr gesprochen . Aber für langwierige Erklärungsversuche war hier nicht der richtige Ort. Beschwörend blickte er Kara an, in der Hoffnung, sie würde seinen Rettungsplan erkennen und mitspielen.
Leider verstand sie ihn nicht.
»Ich gehe nicht mit einem von Herons Schergen!«, rief sie und spuckte vor ihm aus. »Und mit dir schon gar nicht.«
Raven atmete tief durch. Es widerstrebte ihm, Kara zu zwingen, aber zu ihrem eigenen Schutz würde es unumgänglich sein. Außerdem konnte er ihr schlecht vor Heron und seinen Mannen sagen, dass er sie nicht zu missbrauchen gedachte.
»Es wird Zeit für dich, Gehorsam zu lernen«, entgegnete er daher scharf und packte sie grob am Arm. Sein fester Griff musste sie schmerzen, aber er wollte nicht riskieren, dass sie weiter Widerstand leistete und seine Rettungsaktion dadurch verhinderte. Außerdem konnte er ihr gleich alles in Ruhe erklären, wenn sie alleine in ihrem Zimmer waren.
So überhörte er ihr wütendes Schnauben, Theons empörten Ausruf sowie Ednas Verwünschungen und zog Kara aus der Vorhalle fort, die Treppe hinunter an den lüstern grinsenden Kriegern Sarwens vorbei, in Richtung des Steinhauses. In Karas Raum angekommen, schloss er die Tür hinter ihnen und ließ sie los.
Kara stürzte von ihm fort, umrundete das Bett und lief zu dem gemauerten Kamin in der Ecke. Dort blieb sie keuchend stehen. Ihre Wangen waren gerötet, sie rieb ihren Arm und blickte ihn angewidert an.
Raven seufzte. Hoffentlich gelang es ihm, ihr alles zu erklären ...
Kara ließ Raven, der sich ihr langsam näherte, nicht aus den Augen. Sie wich einen Schritt zurück und nahm einen Arm unauffällig hinter ihren Rücken, so dass sie mit der Hand den Kaminsims berühren konnte. Eine letzte Möglichkeit, ihm zu entkommen, gab es noch. Sie musste nur den richtigen Moment dafür abpassen – und die richtige Stelle finden.
Mittlerweile war er neben dem Bett stehengeblieben und lächelte sie an. Trotz ihrer Angst wuchs ihr Zorn. Dieses Lächeln hatte sie geliebt,
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