Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
sie, »ein geldgieriger Söldner, ein ...«
»Sei still!«, unterbrach sie ihn. »Nach drei Bechern Met darf man seine Meinung auch mal ändern.«
»Und wie bin ich nun?«, fragte er neugierig.
»Mutig«, entgegnete sie prompt. »Du folgst nicht blindlings Herons Wünschen, sondern triffst eigene Entscheidungen. Das traut sich bestimmt nicht jeder seiner Krieger. Und du bist ehrenhaft. Du hattest so oft die Gelegenheit, mich ... mich unsittlich zu berühren, und hast es nie getan.«
Sie räusperte sich, und Raven vermutete, dass sie ein bisschen errötet war – was er im Dunkeln leider nicht erkennen konnte.
»Du bist tapfer«, setzte Kara ihre Aufzählung fort. »Obwohl du körperlich eingeschränkt bist, gehst du keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Und du bist stark – ich verstehe mehr vom Kampf, als du denkst. Ich hätte dich gerne einmal fechten sehen, als du noch nicht gelähmt warst: Du warst sicher der Beste von allen.«
Nun war er es, dem das Blut in die Wangen schoss. Allerdings war Kara mit ihren Lobpreisungen immer noch nicht am Ende.
»Tja, und dann bist du wahrheitsliebend, sonst wärst du nicht auf dieser Reise mit mir. Und zum Schluss das wohl Wichtigste: Du sorgst dich um deine Mitmenschen. Das hat der Überfall gestern sowie dein Verhalten gegenüber Jorin bewiesen.« Sie schwieg einen Moment, bevor sie erklärte: »Mut, Ehre, Tapferkeit, Stärke, Wahrheitsliebe und die Sorge um andere – das sind die sechs Tugenden, die jeder Herrscher vor der Göttin und seinem Volk bei der Thronbesteigung schwören muss. Du wärst ein guter Fürst, Raven, ein weiser Führer deines Reiches.«
Ravens Stirn legte sich in Falten. »Keinen Wein mehr für dich, Kara. Du redest nur Unsinn.«
»Und wie heißt sie jetzt?«
Er stöhnte. »Auch wenn du es nicht glauben magst, ich habe keine Frau.«
»Das ist gut.« Sie stütze sich auf den Ellenbogen und hob den Kopf. »Sonst würde ich es nicht tun.«
Bevor er fragen konnte, was sie meinte, spürte er ihre Lippen auf den seinen. Raven keuchte. Karas Kuss war zärtlich und voll Leidenschaft, doch leider endete er genauso plötzlich, wie er begonnen hatte.
»Gute Nacht, Raven«, flüsterte sie in sein Ohr. »Die Frau, die dich bekommt, kann sich glücklich schätzen.« Dann drehte sie sich um und kuschelte sich mit dem Rücken an ihn.
Ravens seufzte. Wieder einmal stand ihm eine schlaflose Nacht bevor.
13
Im Morgengrauen verabschiedeten Kara und Raven sich von Jorin und den Gauklern. Der Barde würde mit den Spielleuten nach Ferling reisen und Raven wollte durch den Wald nach Sartain reiten.
Kara, die wieder ihr weißes Kleid trug, trat zu ihrem Pferd und band die Zügel von dem Gestänge des Wagens los. Ihr Plan, Raven auf dem Jahrmarkt zu entfliehen, war gescheitert. Doch sie bedauerte dies nicht so sehr, wie sie müsste. Für einige wundervolle Stunden war gestern der echte Raven zu ihr zurückgekehrt und hatte das Feuer in ihrem Herzen neu entfacht. Wie hatte sie es genossen, mit ihm zu tanzen – erst recht unter den aufmerksamen Blicken der anderen Frauen, die sie unverhohlen um den stattlichen Krieger beneidet hatten. Raven selbst schien sich seines guten Aussehens gar nicht bewusst zu sein, oder er gab nichts darauf. Das war schön, denn eitle Männer waren noch schlimmer zu ertragen als eitle Frauen.
Ebenso schön war, dass er nicht verheiratet war und es offensichtlich auch keine Frau in seinem Leben gab. Bei dem Gedanken an vergangene Nacht errötete Kara. Inzwischen war ihr ihre Trunkenheit peinlich. Glücklicherweise hatte Raven bisher keine spöttische Bemerkung darüber gemacht. Was war nur in sie gefahren, ihn zu küssen! Andererseits – seinen Bemerkungen und seinem Verhalten nach schien sie ihm ebenfalls keinesfalls gleichgültig zu sein ...
Kara verzog das Gesicht. Sie dachte schon wieder wie ein törichtes Mädchen. All diese Überlegungen waren sinnlos: Raven war ihr Feind, das durfte sie nie vergessen. Auch wenn sie ihn noch so liebte, es gab keine Hoffnung für sie beide.
Ein Räuspern erklang, und Kara sah auf. Nicht Raven stand vor ihr – er unterhielt sich noch mit Orwyn –, sondern Jorin.
»Ich wünsche dir eine gute Reise«, sagte der Barde und seine Stimme klang ungewohnt ernst. »Seid vorsichtig, eure Verfolger sind nah.«
»Was ... wie bitte?« Sie musste ihn falsch verstanden haben.
Statt einer Antwort wies Jorin mit dem Finger auf die Stelle, wo sich das Amulett der Göttin unter ihrem Gewand verbarg.
Ein
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