Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
vergebens.
»Dann erzähl mir von der Schlacht.«
»Von welcher Schlacht?«
»Na, die Schlacht, die für deine Lähmungen verantwortlich ist.«
Raven verzog das Gesicht. »Da gibt es nichts zu berichten.«
»Hör auf, dich so bitten zu lassen«, beschwerte sie sich. » Alle Männer lieben es, über ihre Kämpfe zu erzählen. Seit ich denken kann, haben meine Brüder über nichts anderes geredet als ihre Duelle.«
Überrascht blickte Raven sie über die Schulter hinweg an. Von ihrer Familie hatte Kara bisher noch nie gesprochen. »Du hast also Brüder?«, fragte er interessiert.
Ihr schien das Thema plötzlich unangenehm zu sein. »Ja, drei ältere Brüder«, erwiderte sie ausweichend.
»Das erklärt deine ausgefeilte Kampftechnik Männern gegenüber.« Er lächelte. »Die drei hatten es bestimmt nicht leicht mit ihrer kleinen Schwester.«
»Nun, solange sie gemacht haben, was ich wollte ...«
»Sie sind bestimmt sehr stolz, dass die Göttin dich zur Seherin auserwählt hat«, überlegte er. »Besuchen sie dich oft im Tempel?«
»Nein.«
Nun war es Kara, die die einsilbigen Antworten gab. Auch in ihrer Vergangenheit schien es etwas zu geben, was sie bedrückte. Raven beschloss, nicht weiter nachzufragen und nahm stattdessen die Lederschiene vom Arm. Vorsichtig bewegte er Finger für Finger, streckte die Hand und ballte sie zu einer Faust zusammen. Er musste seinen Körper rasch wieder unter Kontrolle bringen, denn die Zeit drängte.
Er hob den Blick und sah zum Himmel. Gorik war immer noch nicht zurückgekehrt. Der Rabe war auch früher oft länger fortgewesen, aber inzwischen waren es bereits über zwei Tage. Hoffentlich war seinem gefiederten Freund nichts passiert. Außerdem könnte er bei Karas Bewachung Hilfe gebrauchen. Zugegeben, gerade war es äußerst angenehm, auf sie aufzupassen, genau wie gestern Abend. Andererseits war ihre Freundlichkeit vielleicht nur Berechnung, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Raven seufzte. Sollte dies wirklich Karas Plan sein, war es ihr fast gelungen.
Der Wald war dichter geworden, dunkler und ... bedrohlicher. Karas Nackenhaare stellten sich auf. Lauerte hier wirklich eine Gefahr auf sie, wie Jorin angedeutet hatte? Dass der Barde diesen Amartus zu kennen schien, hatte sie Raven noch gar nicht gesagt. Sie warf einen Blick zu dem Krieger hinüber. Seit sie den See verlassen hatten, wirkte er angespannt, lauschte nach jedem Geräusch und hatte sie schon mehrmals den Pfad verlassen lassen. Auch ihm schien unbehaglich zumute. Hoffentlich erreichten sie diesen Hüter des Waldes bald – zum einen hätte sie gegen den Schutz einer Hütte nichts einzuwenden, zum anderen war sie zugegebenermaßen neugierig auf die Prophezeiung.
Kara trieb ihr Pferd dichter an Ravens Reittier heran. In dieser unheimlichen Gegend hatte sie nicht vor, sich von ihm zu trennen. Überhaupt rückte der Gedanke an eine Flucht immer weiter in den Hintergrund. Kara schnaubte. Sie hätte in den See springen sollen – das hätte ihren Kopf vielleicht wieder halbwegs klar gemacht.
Wenig später hielt Raven auf einer Lichtung an. Kara vernahm das Rauschen von Wasser; in der Nähe musste sich ein Fluss befinden, der vermutlich in den Grauen Bergen entsprang. Raven stieg ab und bedeutete ihr mit einem Nicken, ebenfalls abzusitzen. Mit dem Pferd an der Hand folgte sie ihm auf eine mächtige Eiche zu, und erst jetzt erkannte sie die Hütte, die fast unsichtbar davorstand. Sie banden die Pferde an einer Bank neben der Tür an. Nach einem kurzen Klopfen traten sie ein.
Karas Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das Dämmerlicht in der Hütte gewöhnt hatten. Der alte Mann, der dort an einem Tisch saß, stand jedoch sofort von seinem Stuhl auf.
»Bei der Göttin!«, rief er und eilte auf sie zu. »Raven, was machst du hier?«
»Ich habe wenig Zeit, Amartus«, erwiderte Raven anstelle einer Begrüßung. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Setz dich, mein Sohn«, forderte der Alte ihn auf, »und deine Begleiterin ebenfalls.« Er warf ihr einen neugierigen Blick zu, den Kara mit einem Nicken erwiderte. Wie es schien, waren Raven und der Hüter des Waldes vertraut miteinander.
Sie ließen sich am Tisch nieder. Amartus stellte Becher vor sie und schenkte ihnen Wein ein. »Was willst du von mir wissen, Raven?«
»Was kannst du mir von der Prophezeiung erzählen, die du Fürst Wegon einst gemacht hast?«, kam Raven ohne Umschweife zur Sache. In seiner Stimme lag ein vorwurfsvoller Ton.
»Die
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