Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
eine Kobra, sie kommt nur in südlichen Ländern vor«, erklärte Kara. »Wusstest du, dass Schlangen taub sind? Sie halten die Flöte für einen Feind oder einen balzenden Artgenossen und folgen ihren Bewegungen. Deshalb besitzt das Instrument auch diesen kugelförmigen Teil – es soll dem Aussehen der Kobra ähneln.«
Bewundernd sah Raven Kara an. »Woher weißt du das so genau?«
»Ich habe mich mit einem Schlangenbeschwörer unterhalten, der einen Auftritt in unserer ... der durch unser Dorf gereist ist.« Sie wandte den Kopf und wies zwischen zwei Zelten hindurch auf einen großen Platz. »Komm, lass uns nach dort drüben gehen!«
Auf der freien Fläche hielten sich Männer und Frauen an den Händen gefasst – bereit zum Reigentanz.
»Die Musiker beginnen gleich zu spielen«, sagte Kara aufgeregt. »Wollen wir tanzen?«
»Nein«, erwiderte Raven und zeigte auf sein lahmes Bein. Mit seiner Humpelei würde er nur Hohngelächter ernten, wenn ihm – dem Krüppel – überhaupt jemand die Hand reichen wollte. Es war besser, es sein zu lassen, obwohl er durch seine Mutter alle Tänze beherrschte – sogar die höfischen.
»Bevor dein Bein und dein Arm steif wurden, hast du bestimmt gerne getanzt, oder?«, wollte Kara wissen.
Bevor sein Bein und sein Arm steif wurden? Glaubte Kara immer noch, seine Lähmungen wären die Folge eines Unfalls? Ehe er seine einstige Lüge jedoch richtigstellen konnte, sprach sie weiter.
»Wenn dir das Tanzen Schmerzen bereitet, verzichte ich. Wenn du nur ungeschickter bist als früher, bestehe ich darauf.« Sie lächelte herausfordernd und Raven wurde heiß und kalt. Zu gerne würde er sich an ihrer Hand zu den Takten der Musik bewegen. Da sie angeblich ein Ehepaar waren, sprach auch der Anstand nicht dagegen ... Aber was würden seine Mittänzer von seiner Anwesenheit in ihrem Kreis halten?
»Zier dich nicht, sonst hole ich Loban!«, schimpfte Kara.
Mehr Worte bedurfte es nicht. Raven nahm sie am Handgelenk, zog sie auf die Wiese, dann reihten sie sich zwischen den Tanzpaaren ein. Augenblicke später begannen die Musiker zu spielen und der mitreißende Klang von Trommeln, Flöten und Schellen erschall. Zuerst war Raven ganz auf seine Füße konzentriert. Der Boden war uneben und er wollte keinesfalls in eine Mulde treten und hinfallen. Zu seiner Erleichterung hatte Kara seinen lahmen Arm ergriffen, so dass er seinem Nebenmann die gesunde Hand hatte reichen können, die dieser überraschenderweise ohne Murren ergriff.
Nach einer Weile traute sich Raven, aufzuschauen. Bis jetzt hatte noch niemand über ihn gelacht. Vorsichtig sah er sich im Kreis der Tänzer um. Es musste jemand merken, wie unbeholfen und abgehackt seine Bewegungen aussahen. Ein Mann, der einige Plätze von ihm entfernt stand, erwiderte seinen Blick. Doch in seinen Augen lag nichts Hämisches, sondern ... Anerkennung und Wohlwollen.
Es dauerte einen Moment, bis Raven begriff. Der Mann zollte ihm Respekt für Kara, die er natürlich für seine Ehefrau hielt. Und es war dem Mann nicht zu verdenken: Karas Augen leuchteten, ihre Wangen waren gerötet und ihre Locken wippten verführerisch im Auf und Ab ihrer grazilen Bewegungen. Stolz überkam Raven, diese wunderbare Frau an seiner Seite zu haben, und er musste an sich halten, Kara nicht auf der Stelle zu küssen. Zum Glück endete die Musik, bevor er diesen verwegenen Gedanken in die Tat umsetzen konnte.
Der Mann, mit dem er Blickkontakt gehabt hatte, löste sich aus der Reihe und kam auf ihn zu. »Es ist eine Ehre, einen tapferen Krieger unseres Fürsten auf unserem Markt begrüßen zu können.« Er klopfte Raven auf die Schulter und entfernte sich.
Sprachlos starrte Raven ihm nach. Natürlich, er trug ein Schwert, und auf seinem knielangen Waffenrock war das Wappen Sarwens eingestickt, aber wie kam der Mann auf tapfer?
Es blieb ihm jedoch keine Zeit, länger darüber nachzugrübeln, denn Kara zupfte ihm am Ärmel. »Ich habe Durst«, erklärte sie.
Mit einem Becher Met in der Hand schlenderten sie kurz darauf zu den Gauklern zurück. Die Vorstellung würde bald anfangen, erwartungsvoll ließen sie sich auf ihren Plätzen in der ersten Reihe neben Jorin nieder. Die Ränge füllten sich. Nach einem dramatischen Trommelwirbel von Loban und Orwyn betraten die Spielleute die Bühne und das Theaterstück begann.
Wenig später war Raven in der Geschichte, die von Liebe, Verrat und Zauberkünsten handelte, gefangen – Kara schien es nicht anders zu ergehen. Sie
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