Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Finger durchzubewegen, schmerzte sein Arm inzwischen ebenfalls.
Schwerfällig rutschte er vom Rücken seines Reittieres und kam hart auf den Füßen zum Stehen. Er hatte kein Gefühl mehr in seinem Ober- und Unterschenkel und würde das Bein mehr oder weniger hinter sich herziehen müssen, bis es wieder besser durchblutet war. Seinen Arm spürte er hingegen überdeutlich, und die Spannungen strahlten auf Schulter und Rücken aus. Raven biss die Zähne zusammen, als er das Pferd zu einem Baum in der Nähe führte und es festband. So rasch, wie es ihm möglich war, löste er die Provianttasche und den Wasserschlauch vom Sattel.
»Setzen wir uns und essen etwas«, sagte er zu Kara und ließ sich auf die Erde sinken, bevor sie merkte, wie geschwächt er gerade war. Würde sie jetzt davonlaufen, wäre er nicht in der Lage, ihr zu folgen.
Nachdenklich sah sie ihn. »Hast du Schmerzen?«
»Ein wenig«, gab er zu. Warum setzte sie sich nicht? Lotete sie tatsächlich ihre Chancen auf eine erfolgreiche Flucht aus?
»Arm, Schultern und Nacken tun dir weh«, stellte sie fest. »Und natürlich dein Bein, oder?«
»Ja, aber ich kann es ertragen«, knurrte er. Auch ohne Feuer schien Kara erstaunlich viel sehen zu können, das passte ihm überhaupt nicht.
Karas Stirn legte sich in Falten, doch nach einigen Augenblicken erhellte sich ihr Gesicht. »Zieh deinen Waffenrock und dein Hemd aus!«, forderte sie ihn auf.
»Wie bitte?«
»In der Krankenhalle habe ich Ona beobachtet. Sie hat Patienten, die unter Verspannungen litten, massiert. Ich ... ich habe das noch nie gemacht, trotzdem würde ich es gerne für dich tun.«
War das ein Scherz oder eine Falle? Raven starrte sie an und unter seinem forschenden Blick färbten sich ihre Wangen feuerrot. Er konnte es nicht glauben: Sie meinte es tatsächlich ernst! »Also gut«, erklärte er und bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall, »einen Versuch ist es wert.« In Wahrheit hämmerte das Herz in seiner Brust vor Freude. Kara wollte ihm einen Gefallen tun!
Er löste die seitlichen Schnallen des Waffenrockes. Kara trat an ihn heran und half ihm, die lederne Tunika auszuziehen. Während sie diese sorgsam auf den Boden legte, schlüpfte Raven aus dem rechten Hemdsärmel und zog sich das Kleidungsstück über den Kopf. Erst als er das Hemd in der Hand hielt, fiel ihm auf, dass er nun mit freiem Oberkörper vor Kara saß.
In der Krankenhalle hat sie mit Sicherheit schon mehr halbnackte Männer gesehen, beruhigte er sich. Trotzdem beschleunigte sich sein Atem, als sie hinter ihn trat und ihre Hände auf seine Schultern legten. Verdammt, er war schon oft von Frauen berührt worden, warum fühlte er sich gerade wie ein unerfahrener Jüngling?
Zum Glück bemerkte Kara nichts von seiner inneren Aufruhr und begann, ihre Finger mit leichtem Druck von seinem Halsansatz zu den Schultern und weiter zu den Oberarmen zu bewegen. Raven atmete ruhig durch und genoss die entspannende Wirkung ihrer Bewegungen.
»Ist es angenehm?«, fragte Kara nach einer Weile.
Er nickte. »Dafür, dass du es noch nie gemacht hast, ist eine der besten Massagen, die ich je hatte.«
»Wer hat dich denn ...?« Sie hielt inne und ihre Stimme klang belegt, als sie weitersprach. »Ja, natürlich. Die Frauen dieses Gewerbes sind darin erfahren, Kriegern Wohlgenuss zu bereiten. Da kann ich mit meiner Unkenntnis selbstverständlich nicht mithalten.«
Sie ließ ihn los, doch Raven griff nach hinten und hielt ihre Hand fest. »Bitte, mach weiter. Es tut mir gut.«
Nach einem Moment des Zögerns spürte er ihre Hände wieder auf seinen Schultern. Raven schloss die Augen und dachte über ihre Worte nach. Sie hielt ihn nach wie vor für einen echten Krieger ... und das würde er ja auch bald sein! Was Kara wohl sagen würde, wüsste sie, dass sie nicht einen tapferen Streiter, sondern einen armseligen, von allen verspotteten Wasserknecht massierte? Dass er sie – nach seiner Rolle als stummer Bauer – schon wieder täuschte? Rasch verscheuchte er diese unangenehmen Gedanken. Kara würde seine wahre Geschichte nie erfahren, Sorgen um ihre Reaktion waren daher belanglos.
»Was ist das für eine große Narbe auf deinem linken Oberarm?«, erkundigte sie sich. »Ist das der Grund, warum du den Arm nicht mehr richtig bewegen kannst?«
Die Narbe von Herons einstigem Schwertschlag! »Nein«, erwiderte er gepresst, öffnete die Augen wieder und hoffte, sie würde nicht weiter nachfragen. Seine Hoffnung war jedoch
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