Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
sich. »Amartus, bitte«, sagte er eindringlich.
Der Hüter nickte. »Höre gut zu«, mahnte er und begann mit entrückter Stimme zu sprechen:
Vereint in Feuer und Flammen
Werden sie zusammenkommen
Und alle Feinde verbannen.
Doch wird es die Tat des Sohnes sein,
Nicht die des Vaters:
Vom Element des Feuers unversehrt
Erringt Wegons Erbe den Sieg.
Doch nichts ist gewiss,
Nichts ist geschenkt
Weder dem Vater noch dem Sohn,
Bis sie sich würdig erweisen
Und die Prüfung bestehen
Oder vergehen – in Blut und Asche,
In Feuer und Flammen.
Als Amartus geendet hatte, herrschte Schweigen. Schließlich durchbrach Raven die Stille. »Heron, als Wegons Sohn, wird Fürstin Ylda besiegen – sie ist die Feindin Sarwens. Soweit ist die Weissagung eindeutig.«
»Ich wusste es!« Karas Gesicht verdunkelte sich. »Heron will Krieg.«
»Aber was ist mir dieser Prüfung gemeint?«, wunderte sich Raven. »Und warum werden die Worte Feuer und Flammen so betont?«
»Genau das wird Heron mich fragen wollen«, erwiderte sie bitter.
Er ignorierte ihren Einwurf. » Feuer und Flammen klingt nach einer mächtigen Waffe«, überlegte er.
»Du meinst die Katapulte, mit denen man brennende Gegenstände schleudern kann?« Zweifelnd sah sie ihn an. »Darauf ist Heron bestimmt selbst schon gekommen.«
»Ja, und diese Lösung ist falsch, denn sonst hätte er nicht den Tempel ...« Raven hielt inne und sah sie aufgeregt an. »Der Tempel!«
Kara begriff. »Der Tempel des sprechenden Feuers . Er könnte wirklich eine Rolle in der Prophezeiung spielen.«
»Gibt es irgendetwas im Tempel, das als Waffe in Frage käme?«, erkundigte er sich. »Ein Gegenstand, der die Macht der Göttin in sich trägt?«
»Ich wüsste von nichts ... Auch Theon konnte Heron dazu scheinbar nichts sagen.« Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Der älteste Gegenstand im Tempel ist mein Amulett. Dass es magische Kräfte hätte, ist mir nicht bekannt.« Sie holte den Anhänger unter ihrem Kleid hervor, zog das Lederband über ihren Kopf und reichte Raven das Schmuckstück, der es interessiert entgegennahm.
Auch Amartus beugte sich über den Tisch und besah sich die Bronzescheibe. »Das Flammenamulett«, murmelte der Hüter und betrachtete die auf der Vorderseite eingravierte Frauenhand im Feuer. »Ich habe davon gehört.«
»Könnte es von Bedeutung sein?«, fragte Raven aufgeregt.
»Vermutlich nicht«, entgegnete Amartus. »Ich kenne keine Legende, die darüber etwas sagt.«
Enttäuschung zeichnete sich auf Ravens Gesicht ab. »Dann werden wohl auch wir das Geheimnis nicht lösen können.« Er erhob sich. »Komm, Kara, wir müssen zurück zum Tempel.«
»Du willst mich wirklich Heron ausliefern?«, rief sie entsetzt. »Vielleicht kennen wir die genaue Bedeutung der Weissagung nicht, aber wir wissen, der Fürst sucht Krieg!«
»Die Entscheidung über Krieg und Frieden liegt in den Händen der Herrscher, nicht in unseren«, erwiderte er kühl, wobei er vermied, ihr in die Augen sehen. »Ich werde dich Heron übergeben, ob du willst oder nicht.«
Fassungslos starrte sie ihn an. Hatte sie sich tatsächlich eingebildet, er würde seine Meinung ändern, nur weil sie sich in den letzten Tagen wieder besser verstanden hatten? »Bitte, Raven!«, flehte sie. »Ich weiß, als Krieger hast du einen Ehrenkodex gegenüber dem Fürsten geschworen, aber kannst du ihn dieses eine Mal nicht vergessen? Du bist einer von Herons besten Männern, er wird dir dieses einmalige Versagen verzeihen!«
Bevor er etwas erwidern konnte, ergriff Amartus das Wort. »Du hast ihr nicht gesagt, warum du in Herons Diensten stehst?«
»Nein«, knurrte Raven und seine Miene verfinsterte sich, »und du wirst es auch nicht.«
Verständnislos sah Kara zwischen Raven und dem Hüter hin und her. Welches Geheimnis verbarg Raven? Aber es blieb ihr keine Zeit, nachzufragen. Donnernde Pferdehufe näherten sich, und einen Augenblick später vernahmen sie eine laute Männerstimme.
»Komm raus, Raven, und bring die Seherin und den Hüter mit – sonst brennen wir die Hütte nieder!«
»Menwin«, flüsterte Raven erschrocken, »Herons Hauptmann.« Er nickte ihr und Amartus zu. »Kommt mit.«
Raven straffte die Schultern, doch Kara sah, dass er blass geworden war. Ihr selbst war ebenfalls elend zumute. Die Verfolger, vor denen Jorin sie gewarnt hatte, waren tatsächlich gekommen. Die Hütte war umstellt, gegen die Überzahl der Krieger hatten sie keine Chance. Selbst wenn – Raven hatte ihr
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