Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
Vom Netzwerk:
ist also ein Zauberer wie du«, schloss ein halsstarriger Kerl im Kreis, von dem Kraeh wusste, dass er viel Zeit mit Dorla verbrachte und vermutlich so etwas wie ein Anwärter auf den geheimen Pfaden war. Wieder einmal war der Krieger überrascht, wie wenig die Geistfrau den Ihren mitteilte. Offenbar hatte sie nicht einmal ihrem Sohn von Siebenstreich erzählt und dabei war der doch eine wichtige Figur in diesem großen Spiel, in dem sie sich alle befanden. 
    »Er war ein Zauberer«, verbesserte Orthan. 
    Dem Adepten bereitete das Sprechen Schwierigkeiten. Er litt nicht etwa unter einer körperlichen Beeinträchtigung, vielmehr schien es ihm große Mühe zu bereiten, einen einzigen Gedanken so lange festzuhalten, bis er ausgesprochen war. Folglich sprudelten die Worte aus Furcht, er könne schon im nächsten Moment den Zusammenhang verlieren, wieselig und undeutlich aus ihm heraus. Er war von schmächtigem Körperbau, seine Haare strähnig und ungepflegt. Alles in allem bot er eine unangenehme Erscheinung und Kraeh fragte sich, weshalb Dorla gerade ihn ausgewählt hatte. 
    »Dann kannst du das auch? Die Gestalt verändern, meine ich?« 
    Eine der vielen Dorf-Katzen, die dafür sorgten, dass Ratten und andere Plagegeister nicht Überhand nahmen, huschte am Rand des Sitzkreises vorbei. Plötzlich saß Dorla zwischen zwei Männern, die zusammenschraken, als sie ihre Anwesenheit bemerkten. Die Geistfrau schlug ihr Gewand zurück und beförderte ein Tablett voller aufeinandergestapelter Schmalzbrote zum Vorschein. Nachdem sie sich eines heruntergenommen hatte, reichte sie das Tablett weiter. Kauend betrachtete sie den kleiner werdenden Berg Brote. »Alles in dieser Welt wechselt ständig von einem Zustand in den nächsten. Nur sind wir an manche Umwandlungen gewohnt«, sie nahm den letzten Bissen und ihr Brot war verschwunden, »andere hingegen lenkt allein der Wille und wir nennen es Magie. Meistens jedoch«, fuhr sie fort und wies dabei mit dem Zeigefinger auf die Katze, die sich mit angelegten Ohren in einer Lauerposition befand, »spielt uns lediglich die Wahrnehmung einen Streich.« Sie lachte über den beschämten Ausdruck im Gesicht ihres Lehrlings. 
    In dieser Nacht ebenso wie in den folgenden wurden noch viele Geschichten ausgetauscht, Späße getrieben, getrunken und gelacht. 
    Es war ein schöner Winter. Obwohl Kraeh, abgesehen von Erden, keine neuen Freunde fand, fühlte er sich wohl. Hier war er nicht die Kriegskrähe, an die man allerlei Erwartungen knüpfte. Niemand war enttäuscht, ihn in einem unwürdigen Zustand anzutreffen. Hatte er einmal über den Durst getrunken und jemand hatte ihn sich übergebend am Waldrand angetroffen, wurde darüber gescherzt, aber niemals gehässig oder bösartig. Im Lager ging es ruppig zu, aber nie ohne einen liebenswürdigen und respektvollen Unterton. 
    Doch diese Weile der Ruhe und heiteren Eintracht neigte sich gleich der kalten Jahreszeit allmählich ihrem Ende zu. 
     
    *** 
     
    Von der Schneedecke waren nur noch vereinzelte Überreste geblieben – weiße Flecken, durch die bereits dunkles Erdreich und verrottete Blätter schimmerten, die noch vom letzten Herbst zeugten. Die Kirschbäume am Bachlauf waren noch kahl, doch Kraeh glaubte sehen zu können, wie sie, dem alten Zyklus des Lebens folgend, die spätmittaglichen Sonnenstrahlen aufsaugten und so wieder begannen, ihre Kräfte zu sammeln. 
    Es war Badetag. Im Wasser tollten Männer und Frauen, die Mienen der Kälte wegen angespannt und verkniffen. Nicht so aber die Gesichter der kreischenden und johlenden Kinder, die von ihren Eltern mit dem kühlen Nass bespritzt wurden, wofür sie vergnügt auf gleiche Weise Rache übten. Kraehs Blick blieb an den Brüsten zweier sich einseifender Frauen haften. Die eine war blond, die andere hatte sich das Haar mit Henna rot gefärbt. »Vorsicht«, sprach ihn Orthan an, der sich lautlos von hinten genähert hatte, »das sind Erdens Schwestern.« Der Magier stand ruhig neben ihm und Kraeh freute sich, dass auch er sich wohlzufühlen schien. 
    »Ist mir nicht entgangen«, brummte Kraeh und zog sich die Tunika über den Kopf, die Dorla ihm genäht hatte. Ein Luftzug stöhnte durch das Tal und auf der Brust des Kriegers bildete sich eine Gänsehaut. »Wer ist er?« Dem Magier war klar, dass Kraeh jenen athletisch gebauten Mann meinte, der seinen ansonsten üblichen Pferdeschwanz gelöst hatte und sein langes dunkelblondes Haar nun offen trug. Er küsste die jüngere der

Weitere Kostenlose Bücher