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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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erhältst du eine Vorstellung davon, wie jene Ritter sich fühlten, als die Utradin, die noch dazu um ein Vielfaches schlauer sind als gewöhnliche Wildschweine, sie überrannten.« 
    Darüber erfreut, dass Orthan sich anstatt einer schlichten Antwort bereitfand, den ganzen Werdegang des Königs offenzulegen, bat Kraeh diesen, bei der eigentlichen Geschichte zu bleiben. 
    »Gut, gut, du neunmalkluger Vogel«, grinste der Magier.  
    »Über die Strukturen jener sagenumwobenen Geschöpfe ist wenig bekannt. Siebenstreich zufolge gab es so etwas wie ein Alphamännchen, das grunzend die Rotte davon abhielt, ihn wie den Rest in Stücke zu reißen. Was es dazu bewog, kann ich nicht sagen. Womöglich Mitgefühl, vielleicht auch ein weitsichtiger Instinkt. Jedenfalls verschonten sie ihn. Ungefähr drei Jahre lang lebte der junge Fjönir von da an mit den Schweinen. Er musste einen Weg gefunden haben, sowohl ihre primitive Sprache zu verstehen, wie auch sich ihnen mitzuteilen. Verbunden durch ihre Andersartigkeit, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen Troll und Utradinen. Der Abschied, erzwungen durch den Leiteber, brach dem Jungen ein zweites Mal das Herz, doch im Inneren ahnte er, dass der Alte recht hatte. Sein Platz war anderswo. Die Rotte geleitete ihn zu den Rändern ihres Reiches, wo ihm ein Versprechen abverlangt wurde. Mit Tränen in den Augen gelobte er feierlich, ihre Grenzen zu wahren, soweit er die Macht dazu besäße. 
    Ich habe etwas vergessen«, fiel dem Magier plötzlich ein. Gedankenverloren rieb er sich mit dem Stumpf an der Stirn. 
    »Der Rittertrupp, von dem ich sprach, war nicht der erste, der den Utradin zum Opfer fiel. Immer wieder waren Abenteuerlustige, Verirrte und Unbedachte in ihren Einflussbereich geraten – und vom Anblick dieser Welt getilgt worden. Ihre Körper wurden aufgefressen, ihre Ausrüstung, Waffen, Kleider, Schmuck und vor allem Schriftstücke schleiften sie an versteckte Orte, die auf ihren Wanderrouten lagen. 
    Als Fjönir nun aus dem Wald trat, trug er aufgrund seiner Unkenntnis der menschlichen Sitten zwar Frauenkleider – sie fielen weiter und waren besser zum Rennen geeignet – aber dafür hatte er in der Sprache der Dänen lesen und zählen gelernt. Er beherrschte sie freilich nicht sonderlich gut, doch reichten schon einige gestammelte Silben aus, um auf den eigensinnigen Fürsten, dem er eines Tages bei einem Jagdausflug begegnete, Eindruck zu machen. Es waren wirre Zeiten und der Fürst konnte sich eine Kuriosität an seinem abgelegenen Hof leisten. Zuerst machte man sich einen Spaß daraus, jenes lerneifrige Tier zu dressieren, lehrte ihm Fragen zu beantworten und gab ihm bald sogar Bücher, aus denen Fjönir bei Empfängen zur allgemeinen Belustigung vorlesen musste. Allmählich jedoch stieg er in der Gunst des Fürsten und führte am Ende gar dessen Kassenbücher, da sein Vorgänger unvorhergesehen verunglückt war und außer ihm kein augenblicklicher Ersatz zur Verfügung stand. Aus den Ränkeschmieden jener Tage hielt Fjönirs Herr sich heraus, musste aber dennoch auf den vom König einberufenen Ratsversammlungen erscheinen, worüber er sich regelmäßig aufregte. Aus einer Laune heraus entschied er sich einmal, sein gelehrtes Haustierchen mit an den Königshof zu nehmen. Dies würde ohne Zweifel Aufsehen erregen und die machtgierigen Edelinge ärgern. Wer weiß, dachte er sich wohl, womöglich würden sie ihn nach einer derartigen Unangemessenheit in Zukunft in Frieden lassen und er könnte in Ruhe seinen Ausschweifungen nachgehen – die übrigens später einmal sprichwörtlich werden sollten. 
    König Urbas war damals ein alter Mann. Zu alt, um ein Land zu regieren, wie viele meinten, doch wollte er einfach nicht abtreten. Weil er selbst keine Erben hatte, gab es etliche Thronanwärter, die auf eine Gelegenheit warteten, sein Ableben zu beschleunigen. Alle waren sie wohlhabende Adlige, deren Familienbäume sich in irgendeiner grauen Vorzeit mit der Königslinie kreuzten. Sieben von ihnen taten sich jedoch besonders hervor durch Reichtum, Landbesitz und Anzahl von Speeren, die sie ins Feld führen konnten. Urbas war zwar alt, aber nicht dumm. Er ahnte und wusste vermutlich sogar um die auf ihn geplanten Anschläge. 
    Wie der Fürst die Halle in Skaarbrok betrat, musste er enttäuscht feststellen, dass er sich den falschen Tag ausgesucht hatte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Wache des Königs hatte sich mit gezogenen Waffen schützend vor

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