Rabenflüstern (German Edition)
ziehend, aber allzu offensichtlich zufrieden mit dem Geschäft, schüttelte er Kraehs Hand.
»Schaut, dass ihr diesen Kriegszug erledigt, sonst bin ich erledigt.«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn der Krieger.
So zog Bretel mit seinen Wagen und Gehilfen, die dem Ganzen wortlos beigewohnt hatten, von dannen.
Eilig wurden die Rüstungen und Waffen verteilt. Den Besten wurden die Helme zugestanden, damit in der Schlacht deutlich war, wessen Wort die Kämpfer folge leisten sollten, wenn weder Erden noch Kraeh in der Nähe wären. Die hatten sich darauf verständigt, das Kommando zu teilen. Erstaunlicherweise war es sogar Erden selbst gewesen, der seinen Stolz überwunden und darauf bestanden hatte, während Kraeh sich auch mit einem Posten als Berater zufriedengegeben hätte. Zumal sie nun, da Lou deutlich machte, sich niemandem unterzuordnen, alles zu dritt erwägen mussten. Zunächst stellte dies trotz Kraehs Vorbehalten kein Problem dar. Schnurstracks bewegten sie sich auf Lehmstadt zu. Sie mieden die noch immer schneebedeckten Passwege und folgten den Straßen und Trampelpfaden am Rand der steil aufragenden, von Dornenbüschen bewucherten Hänge. Kein Feind war in Sicht, während die Hundertschaft in Dreierreihen gegen einen schneidenden Gegenwind ankämpfte. Die Männer waren stolz auf ihre neue Ausrüstung, mussten aber bald feststellen, welche Last ein Kettenhemd bedeutete. Innen waren sie mit steifem Leder gefüttert und boten somit wenigstens einen Schutz gegen die Kälte, die sich bei einbrechender Dunkelheit steinern und schwer auf sie herabsenkte. Laut vor sich hin sinnend, bewunderte Henfir die Regenerationsfähigkeit der Natur. Die Gräser zeigten ihr gewohntes Grün, wenn auch noch matt. Vorsichtig reckten sie ihre Halme, wie um nachzusehen, ob der alte Feind Frost für dieses Jahr verschwunden sei. Kraeh und Gnadnit stimmten dem Freund, der in ihrer Mitte ging, zu, waren mit ihren Gedanken aber woanders. Irgendetwas beunruhigte Kraeh, doch er fand nicht heraus, was es war, und so wandte er sich alsbald angenehmeren Dingen zu. Dem Minotaur ging es augenscheinlich gleich. Die rote Haut in seinem Gesicht verzog sich zu einer lüsternen Grimasse, während er auf die rückwärtigen Reize der Frau starrte, die leicht versetzt vor ihm ging, wobei sie bei jedem Schritt etliche von Henfirs geliebten Halmen zurück in den Schlamm drückte. Ihr Gesäß, lediglich von doppelt gewickeltem, bläulichem Stoff verhüllt, wiegte, einer Einladung gleichkommend, von links nach rechts …
»Halt«, kam von vorne das Signal. Sofort blieben alle stehen und legten die Hände an die Waffen. Allein der Minotaur reagierte seiner Ablenkung wegen zu spät und rempelte die Drude an. Peinlich berührt stotterte er eine halblaute Entschuldigung, während er sich, ihren Blick scheuend, gemeinsam mit Kraeh an ihr vorbei nach vorne schob. Kleine Steinbrocken rieselten von dem Hang herab. Nach kurzer, angespannter Wartepause machte einer einen Steinbock auf einer terrassenförmigen Ausbuchtung über ihnen aus und gab Entwarnung. Sie zogen weiter.
Die Abenddämmerung hatte einen violetten Schimmer über die weite Ebene ausgebreitet, in der Lehmstadt lag, deren Lichter sich schwach von der Schwärze der Berge im Hintergrund abhoben. Wolken hingen tief und verdunkelten den ohnehin schwachen Mondschein. Aus der Windrichtung drängten dichtere Wolkenbänke heran. Die Nacht würde pechschwarz werden.
Lou schickte zwei ihrer Kriegerinnen zum Kundschaften aus, indes Kraeh und Erden eine Handvoll Männer zur Stadt aussandten, mit dem Auftrag, Fackeln zu erstehen. Den restlichen befahlen sie, sich leise zu verhalten. Als die Kundschafterinnen zurückkehrten, war es wie erwartet stockfinster. Sie berichteten, dass der Feind ein Lager hinter einem Hügel aufgeschlagen habe. Sechzig Pferde haben sie gezählt, waren sich jedoch nicht ganz sicher. Die Männer froren und wurden unruhig.
»Weshalb greifen wir nicht endlich an, Erden?«, fragte einer bibbernd.
»Gehen wir«, gab dieser dem Murren seiner Krieger endlich nach, als die Fackeln endlich eintrafen. Ohne ihre Rüstungen waren die Männer unbehelligt zur Stadt gelangt. Sie waren zwar nicht als Krieger eingestuft, aber dennoch misstrauisch beäugt und vor dem Tor eilig abgefertigt worden. Allein die Aussicht auf das Silber hatte die Stadtbewohner wohl dazu veranlasst, sich auf diesen späten und merkwürdigen Handel einzulassen. »Zwanzig Silberstücke haben sie
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