Rabenflüstern (German Edition)
Feinde davon ab, den Flüchtenden in den Rücken zu fallen. Kraeh lief vor und zurück, vollführte Tiefschläge und brachte dadurch einige zu Fall. Ächzend sanken sie, ihre durchtrennten Fesseln umklammernd, zu Boden, wodurch das Vorstürmen gebremst wurde, da die Stammeskrieger zuerst über ihre Verwundeten hinwegklettern mussten.
Endlich rannten alle. Vor ihnen war Orthan auszumachen, der sich nicht an der Schlacht beteiligt hatte. In heller Aufregung band er die Pferde los, die von den Ersten hastig bestiegen wurden. In wildem Galopp brachten sich die Überlebenden in Sicherheit. Wütende Rufe und Verwünschungen begleiteten ihre Flucht.
Es dauerte tief in den Vormittag hinein, bis die Geschlagenen sich auf einer Lichtung versammelt hatten. Kraeh schickte drei Reiter aus, weitere Überlebende einzusammeln. Die Sonne stand im Zenit, als der Trupp zurückkehrte; nur eine Handvoll Orks und ebenso wenige menschliche Krieger brachten sie mit sich. Etwa zehn mussten zurück nach Skaarbrok geflohen sein; zusammen mit dem Drittel derer, die auf dem Feld gestorben waren, und dem weiteren Drittel der Verwundeten blieben erschreckend wenige, den Kampf fortzuführen.
Orthan schien beinahe froh über den Ausgang; immerhin war er am Leben und es war schließlich nicht seine Niederlage. Doch seine Hoffnung auf sichere Heimkehr wurde jäh von Kraeh zerschlagen.
Er sortierte diejenigen aus, deren Wunden eiligst versorgt werden mussten; fünf, denen der Schrecken allzu deutlich ins Gesicht geschrieben stand, wies er an, sie nach Hause zu bringen. Er hätte Tragen bauen lassen können, doch die Männer sollten ihre Kräfte schonen. Niemand war begeistert, die Mission fortzuführen, bis auf Goldhorn und einen untersetzten Älteren; Kraeh überließ es ihnen, feurige Reden zu schwingen und damit den verloren gegangenen Kampfgeist zurück in die Herzen der Krieger zu pflanzen.
Den Tag über ruhten sie sich aus und verbanden notdürftig die Verletzungen. Orthan half, wo er konnte, mit Heilzaubern nach. Der alte Veteran namens Luitbrecht, der so gut zu sprechen wusste, Goldhorn und Kraeh planten im rot gefärbten Gras das weitere Vorgehen.
***
Die Dämmerung senkte sich über das Land. Auf dem durchtränkten Stoff, den die Kriegskrähe sich um den Hals gebunden hatte, bildete sich bereits Schorf. Da es den Feinden einmal gelungen war, sie zu übertölpeln, es ihr Land war, in dem sie sich besser als jeder Fremde auskannten, und sie offensichtlich fähige Späher hatten, war lange nachgedacht worden, wie man den Spieß würde umkehren können. Bleudwik hatte bewiesen, kein Narr zu sein. Obwohl seine Krieger gewiss den Sieg feiern wollten, würde er es ihnen und sich erst dann erlauben, wenn er sicher war, dass die Eindringlinge auch wirklich den Rückzug angetreten hatten. Es war Luitbrecht, der, auf eine lange Kriegserfahrung zurückblickend, eine List vorschlug, an der Kraeh Gefallen fand.
Die Pferde wurden zusammengebunden und ein Mann ausgewählt, der sie in Richtung Skaarbrok führen sollte. Um die Täuschung perfekt zu machen, befahl Kraeh den vierzig übrig gebliebenen Kämpfern, ihre Rüstungen abzulegen und auf den Tieren zu befestigen. Des Weiteren wurden Holzscheite gesammelt, womit die Pferde zusätzlich beschwert wurden. »Selbst der beste Fährtenleser würde darauf hereinfallen«, lächelte Luitbrecht, nachdem er sich die Abdrücke im Boden genau betrachtet hatte. Der Mann mit den Pferden wurde losgeschickt mit der Anweisung, zu reiten, bis er nicht mehr konnte, und dann ein möglichst großes Feuer zu entzünden. Die anderen räumten die Lichtung und die Hintersten verwischten mit Zweigen ihre Fußspuren. Als Letzter folgte Orthan. Rückwärtsgehend zeichneten seine Hände Muster in die Luft, wozu er kehlige Laute ausstieß. Ein sachter Wind kam auf, der totes Blattwerk aufwirbelte und die abgeknickten Halme wieder aufrichtete. Lautlos stahlen sie sich ins Unterholz.
Bäuchlings auf den Boden gepresst, verbrachten sie die Nacht in lauschender und abwartender Haltung. Das leise Flüstern zweier Orks verstummte, als in der Ferne Hufgetrappel zu hören war. Als Kraeh hörte, dass es an ihnen vorbeizog, entspannte er sich wieder. Die Nacht war kalt und klamm und ließ die Männer näher zusammenrücken. Noch bevor die Sonne aufging, verzehrten sie ihre letzten Vorräte an Haferbrot und Ziegenkäse und machten sich auf zu dem Lager der Feinde. Ohne ihre Rüstungen gelang es ihnen, fast
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