Rabenflüstern (German Edition)
Heermeister von Skaarbrok!«
Der Krieger deutete eine Verbeugung an. »Es ist mir eine Ehre«, sagte er schlicht und wendete sich ab.
»Wo ist Sedain?«, fragte er Rhoderik.
Der alte Krieger nahm einen Schluck aus seinem Horn und setzte sich an eine der langen Tafeln, wo die anderen bereits Platz genommen hatten. »Als der Bote des Königs auftauchte, um uns freizukaufen, meinte er, wir sollen uns nicht sorgen, er komme bald nach. Zuvor müsse er noch etwas erledigen.«
Kraeh schüttelte den Kopf. »Er ist wahnsinnig.«
»Aye«, stimmte Rhoderik ihm zu, »aber man sagt, die Götter lieben Narren, Kinder und Verrückte am meisten.« Sie lachten.
Reihum berichtete jeder, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen war. Lou erzählte, welch unbeschwerte Tage sie erlebt habe, nachdem sie dem Fettsack, der sie erworben hatte, des Nachts ein Messer ans Gemächt gehalten hatte und sich, unter Androhung der Kastration für jeden weiteren Annäherungsversuch, eine untätige Zeit der Muße eingebracht habe. Auf Heikhes Frage, was Kastration denn sei, versuchte sich einer der Soldaten an einer kindgerechten Erklärung, was allgemeine Belustigung nach sich zog.
Auch Rhoderik war seinem Herrn entrissen worden, bevor er diesem von Nutzen hätte sein können. Sedain, er und zwei brisaksche Soldaten hätten sich einem von der Krone gestatteten Raubzug anschließen und danach dem streitsüchtigen Baron als Leibwache zu Diensten sein sollen. Der Alte lachte auf, als er sich daran erinnerte, wie der Baron ihnen seine Pläne unterbreitet hatte und zur Bestätigung ihrer Treue einen Handkuss verlangt hatte. »Sedain ist vorgetreten und ich dachte schon, es sei um den Aristokraten geschehen. Aber er hat sich verbeugt und gesagt, nur Jungenliebhaber küssen Männer .« Die brisakschen Soldaten, die die Geschichte bezeugten, grinsten. Einer von ihnen stand auf und spielte das Entsetzen im Gesicht des Barons ob dieser Unverschämtheit nach. »Doch was konnte er schon tun«, schloss Rhoderik die Episode, »immerhin hatte er gutes Geld für uns gezahlt. Ich denke, er war froh, das Angebot des Königs zu hören. Jedenfalls willigte er in das Geschäft, das ihm sicherlich keinen Gewinn einbrachte, bereitwillig ein.«
Später am Abend wollte Kraeh von Heikhe wissen, wie sie ihre Tage verbracht habe, doch sie sträubte sich, eine Antwort zu geben. Auch als er weiter drängte, schüttelte sie den Kopf und sagte: »Ich habe geschworen, nichts zu sagen.« Misstrauisch geworden, obwohl sie in keiner Weise verängstigt oder eingeschüchtert wirkte, ließ er es vorerst dabei bewenden, nahm sich aber vor, der Sache später auf den Grund zu gehen.
Einige Nächte feierten, schlemmten und tranken sie und schlossen neue Freundschaften. Zuerst mit der bretonischen Delegation, die immer noch auf eine Antwort Siebenstreichs wartete. Bald aber waren sie vollends in der Gesellschaft der bunten Halle integriert. Viele Besucher blieben lediglich eine Nacht, nicht wenige aber schienen wie die Bretonen langsam zum Inventar heranzuwachsen. Lou begann, verschiedene Melodien der Barden, deren Besetzung ebenfalls stetig wechselte, mit einer Flöte zu begleiten. Sie war keine Meisterin, doch sie beherrschte ihr Instrument ausreichend, um Vergnügen zu bereiten. Natürlich lag das nicht allein an ihrer Spielkunst. Es waren viele schöne Frauen anwesend und kaum einer, dem nach einer Bettgefährtin verlangte, musste sich zurückgestoßen fühlen. Ihr kriegerisches Erscheinungsbild und ihre unnahbare Art jedoch reizten die Männer. Sie jedoch entzog sich freundlich, aber bestimmt jedem Annäherungsversuch. Auch Kraeh war in dieser Hinsicht nicht ganz unbefangen. So mancher Verlockung widerstand er, weil er ahnte, dass die Drude, obwohl sie sich nach der ersten Umarmung des Wiedersehens alle Mühe gab, seinem Blick auszuweichen, ihn genau beobachtete.
Der Mond war voll geworden. Laut prasselte Regen auf die Dächer der Festung. Kohlebecken wärmten die Gelenke, Branntwein und Ale die Gemüter. Dies war die letzte Nacht heiteren Beisammenseins, ab morgen, hatte Kraeh beschlossen, würden sie sich auf den Einfall der Nordmänner vorbereiten. Deutlich war der Unterschied wahrzunehmen zwischen jenen, deren Frist beinahe abgelaufen war, und dem Rest. Die Bretonen und anderen Gesandten lachten und rauften laut wie eh und je, während die Übrigen ernst und in sich gekehrt waren. Selbst dem zwar jähzornigen, sonst aber stets über alles erhaben
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