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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Wicht noch böse nach. 
    So schnell es ihm möglich war, leerte er seinen Beutel beinahe zur Gänze und stand auf. Ihm schwindelte. Hastig lief er aus dem Haus. Hätte er einen Augenblick länger verweilt, dessen war er sich sicher, wäre es bald zu einem schnellen Ende für den Giftmischer gekommen. Er war ein Krieger und als solcher immer darum bemüht, das Tier in ihm an der Kette zu halten, was ihm unter normalen Umständen auch meist gelang. Jetzt aber, unter dem Einfluss einer unbekannten Droge, spürte er, wie ihm die Kontrolle zu entgleiten drohte. 
    Dies bedenkend stürzte er ziellos in den Wald, der sich auf sonderbare Weise Stück um Stück veränderte. Die Silhouetten der Bäume wandelten sich zu Körpern, streckten ihre borkigen Arme nach ihm aus. Schlingpflanzen versuchten, seine Beine zu greifen, und brachten ihn zum Stolpern. Irgendwo in der Ferne hörte er die ätzende Stimme Miersnicks böse kichern. Hätte er die Richtung bestimmen können, wäre es um ihn geschehen gewesen, so aber floh er immer tiefer, sich aller Angriffe erwehrend, in den feindlichen Forst. 
    Jegliches Zeitgefühl war ihm abhandengekommen; er nahm lediglich die Schweißperlen auf seiner Stirn wahr. Genug, wollen wir kämpfen , entschloss er, machte auf dem Absatz kehrt und zog die Schwesternklingen. Doch wie er sich umsah gab es nichts, was er hätte angreifen können. Seine Umgebung hatte sich völlig normalisiert. Er blinzelte und vergewisserte sich, dass er von nichts und niemandem bedroht wurde.  
    Der weiße, alles unter sich begrabende Mantel, wirkte friedlich. Kein Anzeichen von Gefahr, vielmehr harmonische Stille. Plötzlich brach es aus ihm heraus; ein laut schallendes Lachen, das wie ein Hammerschlag die Stille durchdrang. Lange stand er einfach nur da, befangen in diesem ungehemmten Lachen, worin die Erkenntnis mitschwang, dass die Umwelt lediglich auf seine Angst reagiert hatte. 
    Benommen wusch er sich die Tränen aus den Augen und setzte seinen Weg gemäßigten Schrittes fort. Nun zeigte die Droge ihre gute Seite. Seine Sinne waren geschärft und seine Stärke schien sich verdoppelt zu haben. Umso mehr musste er darauf achten, nicht gleich stürmisch loszurennen. Auch seine Haut war sensibler geworden, witterte jede Veränderung der Luft, zuweilen gar im Voraus, die Kälte war nun nicht mehr lähmend, sondern belebend. Er fühlte sich als Teil von allem und zugleich war er sich auf wunderbare Weise seiner Einzigartigkeit unter allen Dingen bewusst. Ohne Verwunderung erblickte er hinter einem Hügel einen Flusslauf. Sein Wasser mutete rot an. Oder war es die Abendsonne, die ihm erst jetzt auffiel? Vermutlich war sie zuvor von Wolken verhangen gewesen, überlegte er. Jedenfalls wirkte sie ungewöhnlich fern, beinahe unwirklich. An der Stelle, an der Kraeh ans Ufer trat, beschrieb der Fluss eine Biegung, und obwohl er von dem Hügel aus klar die andere Seite gesehen hatte, war sie jetzt, als er direkt am Strom stand, nicht mehr auszumachen. Nicht etwa, weil der Fluss so breit gewesen wäre, es hatte eher den Anschein, als würde sich das Wasser auf für seinen Verstand ungreifbare Weise ins Unendliche wölben, beinahe so, als würde er in eine brechende Welle schauen. Kurz kehrte der Schwindel zurück, verflog jedoch schnell wieder, als er beschloss, der Strömung zu folgen. 
    Nebel zog auf und verschluckte das letzte Tageslicht in seinen dunstigen Fängen. Die einzige Lichtquelle war bald der Fluss selbst. Ein widernatürliches Glimmen ging von den Fluten aus, die sich ohne Ende und Anfang geräuschlos voranschoben. Der Krieger kniete sich nieder und füllte seinen Handteller mit dem kühlen Nass. Es war tatsächlich rot und für Wasser zu dickflüssig. Ob es wohl salzig schmecken würde … Ein Wehklagen drang in seinen Geist. Sofort fuhr er hoch, Schmerz zuckte aus seiner Scheide. Er blickte sich um, wurde aber zuerst nichts gewahr in den wabernden Dunstschlieren. Dann sah er, wie sich zwei Konturen vor ihm aus dem Nebel schälten. Die linke war zierlich, ein weißes Kleid umspielte sacht ihre schmalen Hüften, die andere breitschultrig, einen guten Kopf größer und in Harnisch. 
    »Seid gegrüßt«, rief er ihnen zu. 
    Ohne zu antworten, bewegten sie sich weiter langsam auf ihn zu. Ihre Beine vom Dunst verschluckt, sahen sie aus, als würden sie gleiten. Etwas zu viel Volk für einen verlassenen, weltentrückten Hain, dachte er und Leid kam ebenfalls frei. Die Schwerter in den Händen, stand er still und

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