Rabenherz & Elsternseele
abläuft. Dieser Herr von Meutinger soll doch ein berühmter Vogelkenner sein. Ich möchte gern wissen, was der so treibt.«
»Das wirst du nicht erfahren, indem du dir so eine miese Show ansiehst. Was der treibt, das verrät er nicht jedem.«
»Aber dir, oder was?«
»Sagen wir, ich habe schon einiges über seine Methoden herausgefunden und werde sicher noch mehr erfahren.«
Er sagte das mit einem so bitteren Zug um den Mund, dass ich noch neugieriger wurde. »Du scheinst ihn nicht besonders zu mögen«, sagte ich.
Gerade jetzt bimmelte die Glocke der Ladentür, und weitere Besucher kamen herein. Er zuckte mit den Schultern. »Hier, deine Eintrittskarte. Viel Spaß!«
Um 15.30 Uhr sollte die Show anfangen, und eine halbe Stunde vorher begann das Publikum sich zu versammeln. Mit mir waren es dreiundzwanzig Zuschauer. Ich hatte genug Zeit nachzuzählen.
Der Falkner kam pünktlich aus einem Schuppen, der in einen verfallenen Teil der Burganlage hineingebaut worden war. Sein Bart und die große Nase gaben meiner Vermutung recht – es war der Mann aus dem Auto. Er sah eindrucksvoll aus, genau wie ich mir so einen mittelalterlichen Falkner vorgestellt hatte: mit Ledertasche und Federspiel, den langen, festen Handschuh an der linken Hand, Stiefeln bis zum Knie und einem grünen Jägerhut.
Bevor er seine Zuschauer begrüßte, holte er aus einem der verschlossenen Holzkäfige einen Falken. Der Vogel saß auf dem Handschuh nicht ruhig, sondern reckte den Hals hierhin und dorthin und flatterte immer wieder mit den Flügeln, um die Balance zu halten.
Von Meutinger trat vor das Publikum und zog dem Falken dort eine dieser Hauben über den Kopf, die die Augen verdecken. Sofort hielt der Vogel still, und von Meutinger begann seine Vorstellung damit, dass er erklärte, was die Hauben bewirkten und warum man sie brauchte. Gleich danach sprach er über die Fußfesseln. »Geschüh« nannte er die kurzen Riemen, die an den Falkenbeinen befestigt waren. Als würden die Vögel Schuhe tragen. Darüber gab es noch die »Bells«, runde Glöckchen, die dazu dienten, den Vogel leichter wiederzufinden.
Von Meutinger redete noch ziemlich lange über seine Ausrüstung. Der Falke saß die ganze Zeit auf seinem Arm und rührte sich nicht mehr, als hätte die Haube, die aussah wie ein komischer kleiner Helm, ihn betäubt.
Als der Mann mit seinem Vortrag aufhörte, ließ er nicht etwa endlich den Falken fliegen, sondern trug ihn zurück in den Holzkäfig. Dann ging er zu Fredo, dem Habicht, und brachte ihn dazu, von der Sitzstange auf seinen Arm umzusteigen. Dabei fing auch Fredo an, sich aufzuregen, breitete die Flügel aus und reckte mit offenem Schnabel den Hals. Kurz hatte ich das Gefühl, dass er mich ansah, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf eine Frau, die auf der anderen Seite des Hofes beim Bergfried aufgetaucht war. Auch sie trug einen Falknerhandschuh und eine Tasche. Man wusste gleich, dass darin Futter für den Habicht war, wenn man sich ansah, wie das Tier der Frau entgegengierte.
Von Meutinger warf Fredo in die Luft, und dieser flog schnurstracks zu der Frau und ließ sich belohnen. Nach zwei Häppchen versuchte sie, ihn wieder hochzuwerfen, aber er krallte sich fest und bettelte um mehr.
Von Meutinger rief und schwang an einer Schnur das Federspiel, um Fredo anzulocken, und trotzdem musste die Frau ihn regelrecht abschütteln. Als er schließlich losflog, kehrte er jedoch nicht zu von Meutinger zurück. Seine Augen funkelten böse, als er mich entdeckte. Mit einem Affenzahn kam er auf mich zugezischt und griff mich an. Ich riss die Arme über den Kopf und duckte mich, sodass er mit der einen Kralle auf meiner Schulter und mit der anderen in meinen Haaren landete. Meine Rettung war, dass ich eine Jeansweste trug, in die er seine Klauen schlug, sonst hätte meine Schulter tiefe, blutige Wunden bekommen.
Habichte brauchten ihren Schnabel nicht, um ihre Beute zu töten, denn sie konnten es mit ihren Füßen tun. Schlagartig wurde mir klar, dass ich diese Vögel nicht mochte, Jori hin oder her.
Nachdem Fredo mich einmal erwischt hatte, hielt er zum Glück einigermaßen still. Von Meutinger kam angerannt und zerrte ihn von mir weg. Dabei knallte mir noch seine Falknertasche gegen den Kopf.
Ich war zu verdattert, um eine Entschuldigung zu erwarten oder so, aber was von Meutinger sagte, haute mich um.
»Hättest du zugehört, junge Dame, dann hättest du mich deutlich darum bitten hören, meine Vögel nicht zu
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